Lange Gesichter gab es zunächst in der Parteizentrale der AfD am Speersort als es bei den ersten Prognosen kurz so aussah, als ob die extrem rechte Partei den Sprung in die Hamburger Bürgerschaft nicht schaffe. Im Laufe des Abends erfolgte die Ernüchterung: Mit 5.3 Prozent nimmt die AfD die Hürde, ein kleiner Sprung mit fataler Wirkung. Wer hier ins Hamburger Parlament einzieht, wurde am Wahlabend besonders eindrücklich gezeigt. Auf dem Gruppenbild präsentiert sich in der Runde der AfD-Abgeordneten ganz rechts außen der bekannte, extrem rechte Youtuber Oliver Flesch. Flesch wurde schon Tage zuvor in der AfD-Geschäftsstelle gesichtet, nachdem er bei der Gedenkkundgebung zu Hanau einen provozierenden Auftritt hinlegte und dabei das rassistische Motiv des Täters relativierte.
Voilà: So sieht das neue Grusel-Kabinett der AfD Hamburg aus
Mit insgesamt 7 Sitzen ist die AfD nun in der Bürgerschaft vertreten: 5 Plätze wurden per Landesliste verteilt und zwei via Personenstimmen: Olga Petersen (3.984 Stimmen) und Marco Schulz (3.618 Stimmen). Ein kurzer Blick auf die alten und neuen AfD-Abgeordneten zeigt: Hier nimmt die extreme Rechte in der Bürgerschaft Platz.
Über Listenplatz 1: Dirk Nockemann, ein notorischer Rassist, der bei jeder Gelegenheit gegen Muslime hetzt, und sich nun aber nach Hanau mäßigen will. Gefolgt von Listenplatz 2: Alexander Wolf mit Vorliebe für Nazilieder und engagierter Bundesbruder der völkischen Burschenschaft Danubia, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Listenplatz 3: Monika Winkler, bisher eher in der zweiten Reihe aktiv. Sie sieht „den Islam“ pauschal als „trennendes Element“ und mag keine Regenbogenfahnen. Hingegen hat sie keine Berührungsängste mit den extrem rechten Merkel-muss-weg-Kundgebungen, auf denen sie zu Gast war.
Auf Platz 4 zieht neu ein: Krzysztof Walczak, Ex-Vorsitzender der Jungen Alternative (JA), der gegen Homosexuelle hetzt und sich für ein Abtreibungsrecht nach polnischem Vorbild stark macht. Über den Landeslistenplatz 5 kommt Detlef Ehlebracht erneut zum Zuge, den man in diesem Gruselkabinett als Einzigen vielleicht noch als gemäßigten Rechten bezeichnen könnte. Es folgt per Personenwahl Marco Schulz, ebenfalls wie Walczak Ex-JA-ler und Student der Bundeswehr. Er ist schon in der Bezirksversammlung Wandsbek öfter mit stramm rechten Ausfällen aufgefallen.
Antimuslimische Hetze im Wahlkampf: Wie viele Shisha-Bars verträgt Hamburg?
Last but not least, die zweite Frau im Bunde: Olga Petersen. Die Russlanddeutsche ist in den sozialen Medien besonders aktiv, lässt sich dabei u.a. von der Merkel-muss-weg-Initiatorin Marie-Thérèse Kaiser schulen. Noch am 11. Februar, also 9 Tage vor dem Anschlag von Hanau, bei dem auch Besucher*innen einer Shisha-Bar ermordet wurden, hatte Petersen am Steindamm gefilmt und gegen Shisha-Bars mobilisiert: „Steindamm es ist meine Heimat. Ja, ist es auch, aber die verändert sich um leider leider zum Negativen. Wir haben immer mehr Shisha-bars, türkische Läden, Dönerbuden hier. Wie viel davon verträgt meine Heimat noch? Mein Gefühl sagt mir nicht mehr viel“.
Brandstifter bereiten ideologisch mit Worten vor, was andere dann mit Taten umsetzen. Viele Spuren führen also von Hanau zur AfD, die nun von ihrer antimuslimischen Hetze nichts mehr wissen will und sich – mal wieder – ungerecht behandelt fühlt. Und wenn der Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann nach Hanau zur verbalen Mäßigung aufruft, dann ist das mehr als eine Farce, schließlich ist er derjenige, der mit unerschöpflichem Eifer in der Bürgerschaft und in parlamentarischer Anfragen gegen Menschen muslimischen Glaubens agitiert.
Ergebnisse im Vergleich

Schauen wir auf die Wahlergebnisse der extrem rechten Partei genauer an. Die AfD Hamburg hat im Vergleich zu 2015 0.9 Prozent verloren. In Bezug auf die absoluten Zahlen ist die Wähler*innenschaft jedoch fast konstant geblieben sind. So erhielt die AfD in der Hansestadt (trotz Halle, Thüringen, Hanau und dem stetigen Rechtsruck von Partei und Landesvorstand, etc.) nur 237 Landeslisten-Wahlstimmen weniger als bei der letzten Wahl. 214 596 Stimmen gab es 2020 für die Extreme Rechte. Um die AfD unter die magische 5 Prozent-Hürde drücken zu können, hätten noch wesentlich mehr Menschen an die Urne gehen und ihre 5 Kreuze nicht bei der AfD machen müssen. Man kann festhalten, dass in Hamburg ein relativ konstanter Kern von Wähler_innen hinter der menschenverachtenden Politik der AfD steht. Dies im Gegensatz zu den beiden anderen Wahlverlierern, CDU und FDP, die viele Stimmen aufgrund der Ereignisse von Thüringen verloren haben. Im Fall der FDP dürfte die Kooperation der Liberalen mit der AfD maßgeblich dazu geführt haben, dass sie letztlich an der 5%-Hürde scheiterte. Und das ist gut so, schließlich stimmte die Hamburger FDP als einzige Partei regelmäßig für AfD-Anträge.
Im langjährigen Vergleich zeigt sich allerdings, dass das Potential an Wähler*innen rechts der CDU in Hamburg abgenommen hat, sofern sich ensprechende Parteien überhaupt zur Wahl stellten und eine realistische Chance hatten gewählt zu werden. 2001 bekam die rechtspopulistische Schill-Partei 165.000 Stimmen (19,1%), bei einer nur etwas geringeren Wahlbeteiligung. Allerdings konnte die Wahlberechtigten damals nach dem alten Wahlrecht nur eine Landeslistenstimme abgeben, statt heute fünf. Und 1997 bekam die extreme Rechte verteilt auf mehrere Parteien insgesamt 68.000 Stimmen (8,2%) bei ähnlicher Wahlbeteiligung. In dem Jahr verpasste die neofaschistische DVU (4,9%) nur um wenige Stimmen den Einzug in die Bürgerschaft, die NPD bekam 0,1%, die der AfD am ähnlichsten Republikaner 1,9% und der nationalliberale Bund freier Bürger 1,3%. Ein weiterer großer Unterschied ist, die zumindest im Westen der Republik noch deutliche Abgrenzung der CDU von der AfD. 2001 hingegen hatte die Union kein Problem damit den Scharfmacher Ronald Schill als Mehrheitsbeschaffer ins Amt zu heben.
Unsere Wahl heißt Antifaschismus
Es wird vor allem weiterhin von den linken, antifaschistischen Kräften abhängen, dass diese Brandmauer zur extremen Rechten bestehen bleibt, dass die mobilisierbaren Potentiale weiter abnehmen und dass die neu oder wieder eingezogenen AfD-Abgeordneten weiterhin kritisch beobachtet werden. Entwarnung kann auf keinen Fall gegeben werden, denn selbst wenn der Abwärtstrend der AfD anhalten sollte, so hat sie doch in wenigen Jahren dazu beigetragen, dass sich die extreme Rechte deutlich radikalisierte. Die Morde an Walter Lübcke, in Halle und Hanau sind die furchtbare Konsequenz aus knapp sieben Jahren AfD.