Antimuslimischer Rassismus

AfD: Antimuslimischer Rassismus als Parteidokrin

Rassistische Imaginationen: Die Berichterstattung der AfD Hamburg über „den Islam“

Gastbeitrag von Awista Gardi (Wissenschaftliche Mitarbeiterin der HAW Hamburg, freiberuflich tätig für das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus MBT Hamburg)

Antimuslimischer Rassismus als gesellschaftliches Strukturelement findet seine Anfänge im letzten Drittel des ersten Jahrtausends und ist geprägt von orientalistischen Diskursen des europäischen Kolonialismus (vgl. Attia 2011, 147ff.). Als Ideologie ist er in allen gesellschaftlichen Bereichen aufzufinden und prägt individuelle Wissensbestände sowie das Sprechen über Muslim_innen und den Islam. (1) Dabei wird sich dem antimuslimischen Rassismus beispielsweise in politischen Diskursen bedient, um Fremdheitskonstruktionen vorzunehmen, gesellschaftliche Probleme zu kulturalisieren und strukturell rassistische Handlungen im In- und Ausland zu legitimieren (vgl. Attia 2011, 149ff.; Attia 2013, 344).

Anhand einer Analyse der Bilder, welche die AfD Hamburg vom Islam konstruiert, wird nachfolgend erörtert, inwiefern antimuslimischer Rassismus in ihren parlamentarischen Anfragen an den Senat, Bürgerschaftsreden oder Wahlprogrammen (re-)produziert wird. Im Folgenden wird sich Rassismus in Form einer rassistischen Wissensproduktion (vgl. Messerschmidt 2011, 63f.) zugewandt. Dafür wurden alle Überschriften der bis September 2019 auf der Internetseite islamspiegel-hamburg.de von der AfD Hamburg veröffentlichten Artikel sowie einige kleine Anfragen aus den letzten Jahren betrachtet.

Imaginationen des Islam

Von insgesamt 50 veröffentlichten Artikeln auf der o.g. Internetseite der AfD Hamburg verweisen 28 Überschriften auf eine Darstellung des Islams als fremde Bedrohung im Inneren. So wird beispielsweise von „Salafismus in Schulen“, „islamistischen Fußballclubs“, „Islamismus in politischen Parteien“ oder „IS-Kämpfern aus Hamburg“ gesprochen. 12 Artikel handeln von der Kategorie „Verfassungsschutz und Islam“.

Dieses Sprechen reiht sich in Jahrhunderte alte Diskurse des antimuslimischen Rassismus ein, in welchen der Islam als das bedrohliche und gefährliche Andere des imaginierten Westens dargestellt wird. Dabei wird Religion im Zuge eines kulturellen Rassismus als Differenzmerkmal verwendet und dem Islam essentialisierend Merkmale wie eine moralische Minderwertigkeit und Rückständigkeit zugewiesen. Dies ist insofern funktional, als dass im Zuge dieser Otheringprozesse eine „westliche Welt“ konstruiert werden kann, die homogen, national, vernünftig, emanzipiert und fortschrittlich sei (vgl. Messerschmidt 2010, 51; Attia 2011, 151).

Solche Argumentationsmuster zeigen sich besonders deutlich in Artikeln, in denen von einer „Gefahr“ durch Moscheen, in denen „radikale Imame Hass predigen“ würden, der vermeintlich „akuten Bedrohung“ der inneren Sicherheit durch Salafisten oder der drohenden „Eroberung“ Europas durch den politischen Islam mittels „Demographie und Massenmigration“ gesprochen wird. (2)

Die Konstruktion eines Bedrohungsszenarios wird dadurch unterstützt, dass explizit Straftaten mit dem Islam in Verbindung gebracht werden, wie in dem Sprechen von sogenannten „muslimischen Intensivtätern“. Bei der Etablierung dieser Kategorie wird eine Disposition für kriminelle Handlungen bei Muslim_innen impliziert und Straftaten kulturalisiert. Muslim_innen werden als homogene Gemeinschaft imaginiert, deren definierendes Merkmal die (vermeintliche) Religionszugehörigkeit sei. So wird in einer diesbezüglichen kleinen Anfrage der AfD Hamburg beispielsweise behauptet, dass es Korrelationen zwischen Gewaltaffinität und dem muslimischen Glauben gäbe. Dabei wird ein Widerspruch zwischen dem Islam und einer demokratischen Gesellschaft konstruiert. Die Vorstellung einer fremden Bedrohung im Inneren, die beispielsweise im Sprechen darüber, dass sich Salafismus verstärkt an Schulen ausbreite, deutlich wird, lässt den Islam als umso gefährlicher erscheinen und legitimiert staatlich repressive Handlungen, wie die Beobachtung von Muslim_innen durch den Verfassungsschutz.

Rassistische Geschlechterkonstruktionen

Antimuslimischer Rassismus ist mit anderen Formen von Diskriminierung verwoben. Im Zuge einer intersektionalen Perspektive sind Strukturkategorien nicht als kumulativ zu verstehen und Subjekte nicht anhand einer exklusiven Differenzkategorie einzuordnen, sondern verschiedene Achsen gesellschaftlicher Herrschaftsstrukturen in ihren Überschneidungen, Verbindungen und gegenseitigen Prägungen zu untersuchen (vgl. Leiprecht/Lutz 2011, 187ff.).

So verfügt der antimuslimische Rassismus über gegenderte Artikulationsmuster, die spezifische Bilder von muslimischen Männern und Frauen (3) zeichnen und die über Jahrhunderte tradierte Verbindung von sexualisierenden und brutalisierenden Phantasien vereinen (vgl. Attia 2011, 155). In der Darstellung des Islams als patriarchal und archaisch werden muslimische Männer als Täter und muslimische Frauen als ihre Opfer markiert. So spricht die AfD Hamburg in einer schriftlichen kleinen Anfrage an den Senat beispielsweise davon, dass der Islam sich gegenüber anderen Religionen durch patriarchalische Strukturen auszeichnen würde. Dadurch kann der innergesellschaftliche Sexismus in ein Außen verlagert und weiße deutsche Männer als emanzipiert konstruiert werden.

In den untersuchten Artikeln kommen muslimische Männer primär als IS-Anhänger, Salafisten oder Straftäter vor. Auch eine solche Darstellung reiht sich in entsubjektivierende Konstruktionen einer gefährlichen muslimischen Männlichkeit ein, die als gewalttätig und stark imaginiert wird.

Ebenso lassen sich Imaginationen einer gleichzeitig unterdrückten und gefährlichen muslimischen Weiblichkeit erkennen. Muslimische Frauen kommen entweder indirekt vor, wenn beispielsweise ein besonderer Fokus auf patriarchale Strukturen und Gewalt gegen Frauen in als muslimisch konstruierten Kontexten gelegt wird. Wenn direkt von ihnen gesprochen wird, werden sie als Jihadistinnen oder IS-Anhängerinnen bezeichnet und ihre Bedrohung für die innere Sicherheit betont. Auffällig ist dabei, dass sie nur dann als handelnde Akteur_innen dargestellt werden, wenn sie als Gefährdung markiert werden. So wird in der oben aufgeführten kleinen Anfrage nach der Konstruktion muslimischer Communities als besonders patriarchal geschrieben, dass junge Mädchen und Frauen in sogenannten jihadistischen Kreisen „jedoch durchaus auch aktive Funktionen ausüben und sogar Straftaten verüben können“.

Resümee

Die AfD Hamburg (re-)produziert antimuslimischen Rassismus im Sprechen über den Islam und als Muslim_innen konstruierte Menschen. Dabei bedient sie sich klassischen Denkmustern, nach denen der Islam als fremde Bedrohung im Inneren imaginiert wird. Ebenso kommen intersektionale Verknüpfungen zum Tragen, die muslimischen Männern eine besondere Affinität zu patriarchalem Verhalten unterstellen und muslimische Frauen reziprok dazu als unterdrückt und bedrohlich imaginieren.

Dabei fällt auf, dass dies keine marginalen Imaginationen des Islams sind, sondern gesamtgesellschaftlich weit verbreitete Narrative der Dominanzgesellschaft. So nähren sich die Diskurse der AfD Hamburg beispielsweise von medialen Berichterstattungen, die muslimische Männer als hypersexualisiert und gewalttätig darstellen. Beispielsweise wird in einem Artikel der Taz behauptet, dass „die muslimisch geprägte Lebensweise vor allem durch ihren verkrampften Umgang mit Fragen von Lust und Sexualität [auffalle]. Ein Umgang, der hauptsächlich die Frau einem moralisierenden bis gewalttätigen Regulations- und Überwachungsregime unterwirft, während für den Mann großzügiges Laisser-faire gilt.“ Nicht zuletzt trifft der antimuslimische Rassismus der AfD auch auf einen Resonanzrahmen von polizeilichen Praktiken, in denen die Markierung von Muslim_innen als Bedrohung zur Legitimation für racial profiling funktionalisiert wird.

Anmerkungen:
1) Wird in diesem Text von „dem Islam“ gesprochen, ist die gesellschaftliche Konstruktion dessen gemeint. Der Begriff „Muslim_innen“ bezieht nicht nur Menschen, die tatsächlich muslimisch sind, sondern ebenso jene, die gesellschaftlich als Muslim_innen markiert werden, mit ein.

2) AfD-Watch Hamburg verlinkt nicht direkt auf AfD eigene Internetseiten und den so genannten „Islamspiegel“, aus dem hier zitiert wird. Die jeweils zitierten Stellen haben wir dokumentiert.

3) Wenn in diesem Text von der Konstruktion muslimischer Männer und Frauen gesprochen wird, sind dabei cis-Männer und cis-Frauen gemeint, da sich der Diskurs der AfD Hamburg in binären Geschlechterkategorien bewegt.

Literatur:
Attia, Iman (2011): Diskurse des Orientalismus und antimuslimischen Rassismus in Deutschland. In: Melter, Claus/Mecheril, Paul (Hg.): Rassismuskritik. Band 1. Rassismustheorie und -forschung. 2. Aufl., Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag (Reihe Politik und Bildung), 146-162.

Attia, Iman (2013): Perspektivenwechsel durch Dekonstruktion. Islamdiskurs und (rassismus-)kritische Soziale Arbeit. In: Hünersdorf, Bettina/Hartmann, Jutta (Hg.): Was ist und wozu betreiben wir Kritik in der Sozialen Arbeit?. Disziplinäre und interdisziplinäre Diskurse.Wiesbaden: Springer VS, 333-350.

Leiprecht, Rudolf/Lutz, Helma (2011): Rassismus – Sexismus – Intersektionalität. In: Melter, Claus/Mecheril, Paul (Hg.): Rassismuskritik. Band 1. Rassismustheorie und -forschung. 2. Aufl., 2 Bände, Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag (Reihe Politik und Bildung, 47), 179-198.

Messerschmidt, Astrid (2010): Distanzierungsmuster. Vier Praktiken im Umgang mit Rassismus. In: Broden, Anne/Mecheril, Paul (Hg.): Rassismus bildet. Bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivierung in der Migrationsgesellschaft. Bielefeld: transcript Verlag (Reihe Kultur und soziale Praxis), 41-57.

Messerschmidt, Astrid (2011): Rassismusanalyse in einer postnationalsozialistischen Gesellschaft. In: Melter, Claus/Mecheril, Paul (Hg.): Rassismuskritik. Band 1. Rassismustheorie und -forschung. 2. Aufl., Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag (Reihe Politik und Bildung), 59-74.