Umweltpolitik als Feindbildpflege

Ein Gastbeitrag von Steffen Wolff, Umweltaktivist und Politikwissenschaftler

AfD schießt sich auch in Hamburg auf das Thema „Klima“ ein. Hier ein Screenshot ihrer Facebookseite.

Trinkwasserknappheit, unfruchtbare Böden, mehr und heftigere Naturkatastrophen – all das droht durch den Klimawandel. Die Notwendigkeit von starkem Umwelt- und Klimaschutz ist daher kein Selbstzweck. Viele Menschen rechnen dem Thema „Umwelt- und Klimaschutz“ daher eine größere Bedeutung zu als typischen AfD-Themen, wie „Migration“ oder „Innere Sicherheit“. Kein Wunder: Die Klimakrise ist bereits in vollem Gang, auch Hamburg ist schon 2050 von regelmäßigen Überschwemmungen bedroht. Dazu kommen umweltpolitische Fehltritte wie das Kohlekraftwerk Moorburg, die Elbvertiefung oder die geplante Rodung des Vollhöfner Walds. Viele Hamburger*innen fordern daher eine ambitionierte Umwelt- und Klimapolitik und die Einhaltung der Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen.

Ein Problem für die AfD. Denn die rechtspopulistische Partei steht mit ihrem kruden Mix aus Klimawandelleugnung und Ignoranz in diesem Ressort ziemlich alleine da. In Hamburg versucht die Partei aus dieser Not eine Tugend zu machen. Wie das funktionieren soll und welche Strategie damit verfolgt wird, lässt sich aus Anträgen, Reden und Beiträgen der AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft entnehmen.

Kruder Mix aus Klimawandel-Leugnung und Ignoranz

Ein erster Anhaltspunkt für die Umwelt- und Klimapolitik der AfD ist die „Dresdener Erklärung“ der umweltpolitischen Sprecher der AfD im Bundestag und den Landtagsfraktionen“ (im Folgenden: „Dresdener Erklärung“) vom Juli 2019. Schon in der Einleitung wird klar, worum es der AfD in diesem Bereich eigentlich geht: „EU-Regulierungswut“ sei ebenso schädlich wie „ideologiegetriebene Maßnahmen ohne Sachverstand“. Es überrascht nicht, dass eine Seite weiter der menschengemachte Klimawandel geleugnet oder vor der „Ökodiktatur“ gewarnt wird. Die AfD vergisst an diesem Punkt, dass sie sich aber nicht etwa gegen eine Ideologie stemmt, sondern gegen Fakten. So sind 99% der wissenschaftlichen Expert*innen der Überzeugung, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht wird. Tatsächliche Lösungen der Klimakrise sucht man in der „Dresdener Erklärung“ vergeblich, stattdessen seien jegliche Maßnahmen zum Klimaschutz „teuer, nutz- und wirkungslos.“

Allen Wähler*innen , die sich einen lebenswerten Planeten auch für nachfolgende Generationen wünschen, stellt sich nun die Frage: Was will die AfD damit erreichen? Die Antwort ist einfach: Dagegen sein. Bereits der Name der Partei suggeriert, dass es einen schädlichen Konsens gäbe, welcher nur durch die „Alternative“ gelöst werden könnte. Die AfD folgt damit einem Politikverständnis, welches vor allem in der Einordnung von „Freund“ und „Feind“ eine Anziehungskraft für Wähler*innen sieht. Inhalte, Lösungsansätze und Konsequenz rücken dafür auch mal in die zweite Reihe. Diese Strategie liegt der AfD auch in anderen Politikbereichen zugrunde. Doch gerade die Umwelt- und Klimapolitik sind ein Symbol dieser Strategie.

Dies wird besonders deutlich, wenn man die Aktivitäten der AfD-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Verständnis von Umwelt- und Klimaproblemen der bundesweiten Parteilinie gegenüberstellt. Im Folgenden werden daher drei Beispiele dargestellt, die die ideologische Belastung der AfD-Fraktion an den Themen Naturschutz, Mobilität und Klimaschutz deutlich machen.

Naturschutz ist Heimatschutz?

In der Dresdener Erklärung macht die AfD deutlich: Naturschutz ist für sie Heimatschutz. Ein Slogan, der auch bei anderen völkischen Gruppierungen oder der NPD bereits Einzug fand. Doch welche politischen Schlüsse zieht die AfD aus dieser Position? Während die Dresdener Erklärung besagt, man spreche sich „klar für den Erhalt unserer einzigartigen Kulturlandschaft aus“, sieht die Realität in Hamburg anders aus.

Beispiel Elbvertiefung: Das umstrittene Projekt sollte den Hamburger Hafen zukunfts- und konkurrenzfähig machen. Das zieht jedoch ökologische Probleme nach sich: Das Ausbaggern hinterlässt tote Gewässerböden, einen stärkeren Tidehub oder Sauerstofflöcher. Mit einer Verbandsklage versuchten die Umweltverbände das Projekt zu stoppen.

Ausgerechnet dies scheint der AfD in Hamburg ein Dorn im Auge zu sein. So fordert sie in ihrem Wahlprogramm unter Punkt 6.3. die „undemokratische Macht von Verbänden [zu] begrenzen“ und zeichnet damit ein skurriles Feindbild. Denn das Verbandsklagerecht fußt auf dem Völkerrecht und dient dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG). Es gibt der Natur einen „Anwalt“, da diese ja nicht für sich selbst sprechen kann.

Man muss sicherlich kein Fan dieser Verbände sein, aber ihre Position zum Schutz der Natur ist von großer Bedeutung. Auch weil die AfD-Fraktion in Hamburg sich sehr einseitig mit dem Thema beschäftigt. So räumten sie Günther Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH), ein ellenlanges Interview in ihrer Mitgliedszeitschrift ein, damit er erklärt wie notwendig die Elbvertiefung doch sei. Dringende Fragen zu den oben genannten ökologischen Effekten bleiben aus.

Totalitäre Lastenräder & Co.

Skurril geht es weiter. Während die schädlichen Stickoxidwerte an vielen Hamburger Straßen steigen und Staus zum Alltag gehören, klammert sich die AfD-Fraktion an einer Verkehrspolitik aus vorigen Jahrhundert fest. „Die autogerechte Stadt“ von damals ist, wie wir nun beobachten können, ein Irrweg. Alternativen wie der HVV oder die Fahrradinfrastruktur bräuchten aber dringend Unterstützung, um noch mehr Hamburger*innen pünktlich und zuverlässig von A nach B zu bekommen.

Die AfD-Fraktion versucht derweil solche Ansätze im Keim zu ersticken. Beispielhaft ist die kleine Anfrage vom 09. April 2019 in der die angeblich hohen Kosten von Fahrradzählern moniert werden. Die Gegenfrage ist: Welche Radwege will die AfD sanieren, wenn sie nicht einmal weiß, welche überhaupt benutzt werden? Spannend ist auch die Sicht auf eine mögliche Förderung von Lastenrädern in Hamburg. Dahinter stecke, so AfD-Fraktionsvorsitzender Alexander Wolf, eine „totalitäre Denkweise.“ Inwiefern ein geförderter Radverkehr schädlich für Bürger*innen und Demokratie sein soll, bleibt leider offen.

Das Auto ist laut AfD allerdings über alle Zweifel erhaben. Frei nach Pippi Langstrumpf sollen einfach die Grenzwerte für die Schädlichkeit von Stickoxiden verändert werden, um so Fahrverbote zu umgehen. Gesundheitliche Vorsorge für die Bewohner*innen von Hamburg sieht jedenfalls anders aus. Auch beim Thema Mobilität wird deutlich: Es gibt „böse“ Fahrräder und „gute“ Autos. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema „Mobilität &Verkehr“ findet bei der AfD nicht statt.

Fridays for Future, AfD for yesterday

Auch beim Thema Klimaschutz ist von der Hamburger AfD nicht viel zu erwarten, denn auch sie folgt der Dresdener Erklärung. Demzufolge gibt es gar keinen menschengemachten Klimawandel. Wie in der Einleitung schon deutlich wird, steht die Partei damit alleine da. Selbst Öl-Konzerne wie Shell haben bereits 1991 vor dem menschlichen Einfluss auf das Weltklima gewarnt. Die AfD ist in dieser Hinsicht nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern rückwärtsgewandt.

Da sich die Hamburger AfD allerdings nicht frontal gegen die geballte Wissenschaft aussprechen mag, arbeiten sie sich lieber an der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ ab. In einer großen Anfrage vom 27. Juni 2019 wird beispielsweise nachgefragt, ob die Schüler*innen für ihr Engagement auch ausreichend hart gegängelt werden. Mithilfe kleiner Anfragen soll die Fridays For Future-Bewegung als „linksextremistisch unterwandert“ dargestellt und delegitimiert werden oder es werden unter Vorwänden Fotos aus geschützten Schulräumen veröffentlicht, um klimapolitisch engagierte Schulen und Schüler*innen einzuschüchtern.

Geradezu bizarr ist daher der Antrag der AfD-Fraktion, der Klimaschulen Klassenreisen mit dem Flugzeug verbieten will. Eine Partei, die den menschlichen Einfluss auf das Klima leugnet, möchte ausgerechnet in diesem Fall das Klima schützen. Ein Widerspruch, der nur dann zusammenpasst, wenn man an die „Freund“/„Feind“-Einordnung denkt. Es geht der AfD letztendlich um Feindbildpflege und die Herabwürdigung des politischen Gegners. Und auch hier gilt: Niemand muss die Form der Fridays-for-Future-Proteste gut finden, aber die AfD attackiert hier nur, weil sie sich mit den Inhalten nicht auseinandersetzen kann.

Gegen Klima-Aktivist*innen hetzen statt Umwelt zu retten

Neben diesen drei Beispielen gäbe es sicherlich noch mehr über die (nicht-vorhandene) Umwelt- und Klimapolitik zu besprechen. So wird dieses Themenfeld weder auf der Startseite der Fraktions-Website dargestellt, noch scheint es weitergehende Bemühungen zu geben. So will die AfD laut Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl 2020 weiterhin an Fossilen Energieträgern festhalten und tut Klimaschutz als „hysterisches“ und „fanatisches“ Anliegen ab. Was bleibt sind leere Feindbilder, die der Partei vielleicht strategisch nutzen, aber keine Inhalte bieten. Wähler*innen, die eine ernsthafte und zukunftsorientierte Umwelt- und Klimapolitik suchen, werden bei der Hamburger AfD nicht fündig. Gleichzeitig zeigen Klimaschutzbewegungen, Umweltverbände und Wissenschaft, wie wichtig es ist, Lösungen für diese drängenden Zukunftsfragen zu finden. Interesse und Engagement für eine lebenswerte Umwelt sowie ein intaktes Klima sind jedenfalls mit der AfD unvereinbar.