Ressentiments zum Klingen bringen – Wie die AfD ihre parlamentarischen Instrumente einsetzt
Seit Gründung der AfD beobachtet das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) die Partei und ihren Werdegang. Während am Anfang der Einfluss des eurokritischen und neoliberalen Flügels innerhalb der AfD noch stärker war, konnten sich auch in Hansestadt zunehmend extrem rechts verortete Personen und Positionen durchsetzen.
Eine Tendenz, die nicht erst mit dem im Oktober 2018 vollzogenen Parteiaustritt des Landesvorsitzenden Jörn Kruse deutlich wurde. Für Kruse war am Ende „Chemnitz zu viel“ und er warnte vor dem dominierenden Einfluss des völkisch-nationalistischen Flügels rund um Höcke. Allen anderen Hamburger Abgeordneten war Chemnitz nicht zu viel. Sie blieben auf ihren Posten und die sicherlich ambitioniertesten AfD-Abgeordneten, Dirk Nockemann und Alexander Wolf, teilten sich als Beute den Parteivorsitz.
Betrachtet man die parlamentarische Arbeit der AfD Hamburg zeigt sich sehr deutlich, wessen Geistes Kind diese Partei ist:
- Da stellt die Parteidoppelspitze schon mal in Bezug auf die extrem rechte „Identitäre Bewegung“ die Frage, welche Gründe dazu führen müssten, „dass a) die ,Identitäre Bewegung Hamburg‘ nicht als ,extremistische Bestrebung‘ im Verfassungsschutzbericht ausgewiesen wird, b) der Beobachtungsstatus […] aufgehoben beziehungsweise geändert wird?“ (DRS 21/174175). Woraufhin der Senat in seiner Antwort die AfD darüber aufklären muss, dass das Gesetz eine Beratungsfunktion für extremistische Bestrebungen nicht vorsehe.
- Da stellt Harald Feineis schon mal die rassistische These auf, dass die – von der AfD imaginierte – „unkontrollierte Migration nach Deutschland seit 2015 eine Reihe Infektionskrankheiten in unser Land [brachte], die hier nicht mehr oder nie existierten“ (DRS 21/14924), oder er bezieht sich in seinen Anfragen auf Informationen von verschwörungstheoretischen Blogs wie Tichyseinblick (DRS 21/17515).
- Da wird Dirk Nockemann nicht müde, in verschiedenen Anfragen (DRS 21/17303, 21/16278) abzufragen, wie viele Wohngemeinschaften für LGBTI*-Geflüchtete Hamburg unterhalte und warum diese notwendig seien, wenn es bisher keine dokumentierten Übergriffe in den Unterkünften gab, um so die besondere Schutzbedürftigkeit dieser Personengruppe in Frage zu stellen.
AfD – alles andere als harmlos
Dies sind nur einige Beispiele, die verdeutlichen, dass die AfD in ihrer Menschenverachtung und ihrem Rechtslastigkeit alles andere als harmlos ist.

Seit über einem Jahr sichtet AfD-Watch Hamburg intensiv die parlamentarischen Aktivitäten der AfD. Im letzten Jahr im Zeitraum vom 1.6.2018 bis zum 15.8.2019 hat die AfD Hamburg 685 große und kleine schriftliche Anfragen und 77 Anträge gestellt. Viele Anfragen & Anträge werden von Pressemitteilungen flankiert, und die Bürgerschaftsreden von AfD-Abgeordneten werden oft zeitnah über AfD-Kanäle und auf YouTube verbreitet. Viel hilft viel, so die Devise. Unterstützung findet die AfD Hamburg durch die GbR „Nobel und frei“, die im gleichnamigen Blog „politisch inkorrekt über Politik, Lifestyle und Krawall“ berichten will und sich folgenden Ausspruch Voltaires zu eigen macht: „Wenn einmal eine Nation zu denken beginnt, ist es unmöglich, sie daran zu hindern“.
Viel fragen, wenig wissen wollen
Welche Themen sind es nun, die die AfD mittels ihres Fragerechts pusht, und welches Vorgehen wird dabei deutlich? Klar ist: Jede Partei hat ein bestimmtes Profil, für das sie gewählt wurde, und verfügt über Kernthemen und eine Zielklientel, die vorrangig bedient werden. Das ist auch bei der AfD der Fall. Neu bei der extrem rechten Partei ist jedoch, wie stark kampagnenmäßig einzelne Themen aufbereitet und in immer wiederkehrenden Anfragen recycelt werden.
Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass die AfD Verwaltung & Behörden mit dieser Flut von Anfragen um der Beschäftigung willen beschäftigen und damit Sand ins Getriebe der Bürokratie streuen möchte. So hat Jörn Kruse beispielsweise in Zeiten, als er noch aktiver AfD-Abgeordneter war, innerhalb von zwei Wochen 23 Anfragen zu den Austauschprogrammen von Hochschulen gestellt, offensichtlich im Copy-Paste-Verfahren produziert, um dann in einer weiteren Anfrage nachzufragen, was diese besagten Anfragen nun für Kosten und Belastung behördlicherseits produziert hätten (DRS 21/14159) .
Parlamentarische Anfragen der AfD: Der Sound eines repressiven Rollbacks
Kleine Anfrage | Große Anfrage | |
Innere Sicherheit |
135 |
|
Flucht & Migration |
97 |
5 |
Verkehr & Stadtentwicklung |
89 |
1 |
Gesundheit & Soziales |
67 |
2 |
Politische Gegner |
65 |
5 |
Schule |
44 |
1 |
Hochschule |
38 |
|
Wirtschaft & Handel |
30 |
|
Demokratie |
29 |
|
Z_Off-Topic |
13 |
|
Gesamtergebnis |
607 |
12 |
*Jede Anfrage wurde einer Kategorie zusortiert |
Für das letzte Jahr hat AfD-Watch Hamburg insgesamt 10 Themenfelder identifiziert. Alle Anfragen und Anträge wurden jeweils einer Hauptkategorie zusortiert, wobei es jede Menge Schnittstellen zwischen den Themenfeldern gibt. So wären z.B. viele der Anfragen im Bereich „Schule“ auch dem Feld „Politischer Gegner“ zusortierbar, geht es in der Schulpolitik bei der AfD vor allem darum, Schulen und Lehrer*innen zu identifizieren, die ihrer Ansicht nach zu weit links stehen.
Zudem kommen „Gender“ und „Kultur“ in dieser Clusterung nicht als eigene Kategorien vor. Gender stellt ein Querschnittsthema dar, mit Hilfe dessen – ebenso wie mit der rassistischen Aufladung – die meisten anderen Themen reaktionär und/oder antifeministisch eingefärbt werden.
Und auch wenn die AfD Hamburg nur wenig für Kulturpolitik übrig hat, befassen sich eine Vielzahl ihrer Anfragen mit kulturellen Themen in einem übergeordneten, weiter gefassten Sinn. Es geht es um die sehr grundlegende Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wie tolerant und offen soll sie sein und welche Rolle spielen emanzipative Werte und Errungenschaften, wie Demokratie, Gleichheit und Freiheit? Der Neuen Rechten geht es im Großen & Ganzen um eine „autoritäre Revolte“, wie Volker Weiß die politische Strategie der diversen neurechten Strömungen & Bewegungen weltweit zusammenfasst.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Die AfD Hamburg leistet ihren konkreten Beitrag zu diesem „Kulturkampf von rechts“. Ihre Politik treibt den repressiven Rollback weiter voran – weg von einer liberal verfassten Gesellschaft hin zu einer autoritären Formierung von Staat entlang völkisch-nationalistischer Kriterien.
Wie die AfD diesen Kampf um rechte Hegemonie aus der Hamburger Bürgerschaft heraus führt, werden wir in der Rubrik „Themen der AfD“ zeigen: Texte zur Schulpolitik, zur Sozialpolitik und zum Diskurs um „Innere Sicherheit“ , weitere folgen.