Andrea Oelschläger

Eine Steuerprüferin auf gedrosseltem Rechtskurs

Andrea Oelschläger: Die einzig weibliche AfD-Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft. (copyright: pixelarchiv)

Der Lebenslauf von Andrea Öelschläger liest sich wie ein klassisch-kleinbürgerlicher Musterwerdegang: Abitur in Hamburg, danach eine Ausbildung zur Steuergehilfin, gefolgt von einem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. 1997 dann die Prüfung zur Steuerberaterin, der Beruf, in dem Oelschläger bis heute freiberuflich arbeitet.

Kein Wunder, dass ihr Finanzthemen liegen und diese den Ausschlag gaben, bereits 2013 der AfD beizutreten: „Ich will die Hamburger Politik ändern. Mitglied der AfD bin ich seit Februar 2013, weil die ,alternativlose‘ Eurorettung den Bürgern schadet – in Süd- und Nordeuropa. Die Eurorettung symbolisiert die mangelnde Bürger- und Zukunftsorientierung der Altparteien. Politische Machtspiele sind wichtiger als wirtschaftlicher Verstand und Bürgerwille“, so formulierte Oelschläger ihre rechtspopulistischen Ambitionen. 

Oelschläger ist Gründerin des Hamburger Ablegers der Christen in der AfD (ChrAfD), eine rechtsklerial bis fundamentalistisch-orthodox agierende Interessenvertretung, deren bekanntestes Mitglied Beatrix von Storch ist. Oelschläger dringt darauf, die AfD als legitimen Gesprächspartnerin von Kirche zu etablieren und kritisiert beispielsweise die Nichteinladung ihrer Partei zum Evangelischen Kirchentag 2019. Via Facebook postet sie zu Pfingsten Fotos vom Schweriner Dom und schreibt, dass sie die Antrittspredigt der neuen Landesbischöfin verfolgt habe, der sie anbiedernd alles Gute wünscht, auch wenn diese „sich schon in ihrer Antrittspredigt einen verbalen Hieb in unsere Richtung nicht verkneifen konnte“.

Innerhalb der AfD Hamburg ist Andrea Oelschläger (neben Detlef Ehlebracht) sicherlich dem in der Gründungsphase noch dominierenden marktradikalen Flügel der Partei zuzuordnen. Sie plädiert für Steuerentlastungen für Unternehmen, fordert vom Senat die Einhaltung der schwarzen Null sowie eine Reduzierung von konsumptiven Ausgaben und pocht auf eine Reduzierung des deutschen EU-Beitrags. So weit, so Ur-FDP. Gleichzeitig spielt Oelschläger offen eine ressentimentgeladene Klaviatur, wenn sie beispielsweise rhetorisch fragt: „In welchem anderen Land der Erde darf ich ohne Pass einreisen, darf dann auch noch ungestraft über meine Herkunft Lügen erzählen und erhalte vom Staat Sozialleistungen?“ (Facebook, 21.1.2019). So weit, so Ur-AfD.

Auf der Suche nach Einfluss in den christlichen Kirchen

Dass Oelschläger auf der anderen Seite Probleme hat, sich dem kontinuierlichen Rechtsruck Richtung völkischem Flügel anzupassen, zeigt folgender Post zum angekündigten Parteiaustritt Alexander Poggenburgs, den sie begrüßte mit der Ergänzung: „Nehmen Sie doch bitte Frau Sayn-Wittgenstein gleich mit“ (Facebook, 22.12.2018).

In einem nächtlichen Facebook-Post zeigt sich Oelschläger am 10. Juni 2019 beunruhigt von der Unterwanderung ihrer Partei durch den Flügel: „Wer eigene Internetseiten betreibt, eigene Veranstaltungen macht, mit eigenen Inhalten wirbt und einen Personenkult aufbaut, der ist eine Konkurrenzorganisation zur AfD. Gegen das bayrische Schiedsgerichtsurteil kann ,der Flügel‘ meckern so viel er will, es ist treffend festgehalten: ,§ 2 Abs. 3 der Bundessatzung hält fest, dass die gleichzeitige Mitgliedschaft in der AfD und einer sonstigen politischen Vereinigung ausgeschlossen ist, soweit ein Konkurrenzverhältnis gegeben ist. In Bezug auf den Flügel ist ein solches Konkurrenzverhältnis aufgrund der oben dargestellten Organisationstiefe und vor allem Bereitschaft, auch in der Öffentlichkeit für politische Positionen zu werben, auch wenn es sich nicht um AfD Positionen handelt, nicht mehr zu verneinen“.

Kritischer Blick auf den Flügel, unkritischer Blick auf eigene Fraktionsvorsitzende

Hier distanziert sich Oelschläger zwar eindeutig von der Höcke-Truppe. Fakt ist aber auch, dass sie sich im September 2018 nicht auf die Seite von Jörn Kruse stellt, als dieser nach den Vorfällen von Chemnitz seinen Hut als Fraktionsvorsitzender nimmt und die Partei aufgrund seines schwindenden Einflusses gegenüber Rechtsaußen verlässt. An dessen Stelle übernehmen in Hamburg mit Dirk Nockemann und Alexander Wolf zwei extrem rechte Hardliner das Ruder und Oelschläger bleibt ohne öffentlich vernehmbaren Widerspruch an Bord.

Betrachtet man ihr parlamentarisches Wirken so fällt auf, dass die einzig weibliche AfD-Abgeordnete in Hamburg relativ wenig parlamentarische Anfragen stellt und diese oft zu politischen Special-Interest-Themen, wie z.B. der „Nutria-Plage“, „Öffentliche Trinkwasserbrunnen“ oder „Schalldämpfer und andere Hilfsmittel für die Jagd“. Selten gibt es Gemeinschaftsanfragen mit anderen AfD-Abgeordneten und wenn, dann mit den ebenfalls in der Partei wenig präsenten Abgeordneten Peter Lorkowski und Detlef Ehlebracht. Oft kommt Oelschläger bei Themen zum Zuge, die nicht zum eigentlichen Kerngeschäft der AfD gehören: So relativiert sie den Einfluss von CO2-Emissionen auf den Klimawandel, lehnt eine Frauenquote als diskriminierend ab, wettert gegen die Mietpreisbremse als unsozial oder warnt vor einer zu großzügigen Finanzpolitik des Senats.

Vom Charakter her sind ihre in der Mediathek der Bürgerschaft nach zuhörenden Plenar-Reden rhetorisch zurückgenommen und abwägend. Häufig argumentiert sie formaljuristisch und sehr detaillbezogen, wie z.B. in der Kurzdebatte zur Steuerlichen Entlastung im Ehrenamt am 19. Juni. Dies ist umso ungewöhnlicher, weil dies eine Fähigkeit ist, die den männlichen Abgeordneten ihrer Partei zumeist nicht gegeben ist.

Die Haudrauf-Rhetorik des Fraktionsvorsitzenden Nockemann oder eine süffisante Spitzfindigkeit eines Wolfs sucht man bei Andrea Oelschläger vergebens. Unproblematisch ist die bemüht sachlich auftretende Abgeordnete dennoch nicht, braucht es doch solche Feigenblätter, um der AfD in der als liberal geltenden Hansestadt einen gemäßigteren bürgerlichen Anstrich zu geben.