Das Böse ist immer und überall! AfD im Wahlkampfmodus

Das Braune muss ins Blaue: AfD-Standbegleitung 2020

Alle 5 Jahre wieder ist die Hamburg mit Wahlplakaten vollgestellt. Seit ein paar Tagen dürfen alle Parteien die Stadt wieder als Werbefläche nutzen – zumindest für die kurze Spanne bis zur Bürgerschaftswahl am 23. Februar. Auch dieses Jahr gibt es wieder allerhand Skurilles zu sehen und zu lesen: Ein amtierender SPD-Bürgermeister, dessen Wahlplakat an die Werbung eines bekannten Brillenunternehmens erinnert, eine ambitionierte Zweite Bürgermeisterin, die sich als Grüne an einer abgewandelten Merkel-Pose versucht, ein unscheinbarer CDU-Politiker, dessen Konterfei umso aufgeblähter auf einem XXL-Plakat am Gänsemarkt prankt, eine FDP-Kandidatin im Pseudo-Rocker-Look, eine LINKE, die sich Gesichter lieber spart und auch sonst viel weiße Fläche zum Selbstgestalten übrig lässt. Ja, und gerne würden wir hier an dieser Stelle den Text mit wohldosiertem Spott beenden, doch es fehlt eine derzeit noch in der Bürgerschaft vertretene Partei mit ihren Wahlbotschaften.

Platte Sprüche – für jede/n was dabei

Auch die AfD lässt es sich natürlich nicht nehmen, ihre Plakate gratis im Öffentlichen Raum zu plazieren, auch wenn die Partei sich schon mal vorab im Hamburger Abendblatt als Opfer inszenieren und darüber beschweren durfte, dass ihre Propaganda so häufig entsorgt und kommentiert werde. AfD-typisches Mimini, das kennen wir schon. Dabei hat sich die AfD Hamburg dieses Mal wirklich Mühe gegeben, möglichst bieder und hanseatisch rüber zu kommen. Keine Gesichter auf den Plakaten, das könnte zu viele Wähler*innen abschrecken. Dafür sechs platte Sprüche, wo auch wirklich für jede/n was dabei sein sollte. Zwei Plakate bedienen das klassische Migrations- und Law-and-Order-Themenfeld der AfD: „Wir handeln. Asylmißbrauch beenden“ sowie „Weltoffen! Aber nicht für Banden und Clans“. So weit, so typisch.

Zwei Plakate widmen sich ganz speziellen Lieblingsfeindesgruppen der AfD. „Zukunft für Bildung? Freitags wieder Schule“ basht die AfD die junge Klimaschutzbewegung; „Uni Hamburg und AStA la vista und Tschüss freie Meinung“ richtet sich gegen alle AfD-Kritiker*innen an den Hochschulen. Tja, noch nicht mal für ein Plakat gegen die Flora hat‘s gereicht? Wir sind enttäuscht! Stattdessen runden drei Plakate zu Mieten, Meinungsfreiheit und Moin Hamburg mit viel Hummel Hummel Menschel Menschel den rechtspopulistischen Stimmenfang ab.

Durch vermüllte Straßen & kaputte Schulen musst du gehn

Noch platter wird‘s, wenn man sich die TV- und Radio-Wahlwerbung zu Gemüte führt. Die gute Nachricht zuerst: Beide Spots werden jeweils nur eine handvoll Mal im NDR gesendet. Die schlechte Nachricht: Wenn man nicht drauf vorbereitet ist, dann kann es eine/n hart erwischen. Achtung, Spoilerwarnung.*

Der TV-Spot ist erinnert von seiner Machart her an frühe Akten-Zeichen-XYX-ungelöst-Folgen oder auch an Karius-& Baktus-Lehrfilme aus der Schule, in der das Böse an jeder Ecke lauert. So auch bei der AfD. Dramatische Musik, ein drängender Beat, dazu jede Menge Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Schnelle Schnitte werden unterlegt mit schnittigen Schlagworten: Stauhauptstadt, Fahrverbote, Baustellen, Parkplatzvernichtung, Bam. Importierte Kriminalität, Linksextreme Gewalt, Asylbetrug, Milliardenkosten Migration, ein sich ausbreitender Islam, Bam. Blinde Wachstumspolitik, Hamburg Bildungsnotstandsgebiet, Schulen platzen aus allen Nähten, Bam. Brennpunkt bleibt Brennpunkt, Hamburg wird immer voller und schmutziger. Bam. Dann ein Schnitt auf ein kaputtes Fahrrad (sic!) und auf Straßen voller Müll. Bam. Gekoppelt mit dem Finalen Satz „Unsere Stadt droht zu verkommen!“

Heilsversprechen: Der Nockemann ist nah!

Nun folgt bei Sekunde 54 ein bedeutender Schwenk im insgesamt lediglich 90 Sekunden langen Spot. Die Farbe wechselt von Schwarz-Weiß zu bunt. Der dämonische Beat wird überblendet in eine optimistische Happy-End-Musik. Tara. Die Lösung ist nah, so die Botschaft. Nun tritt vor imposanter Hafenkulisse auf: der Spitzenkandidaten der AfD Hamburg, Dirk Nockemann. „So kann es mit Hamburg nicht weiter gehen!“ findet dieser und schreitet (mit einer Hand lässig in der Hosentasche) die Hafenkante entlang. Es folgen jede Menge Versprechen, wie der Hamburgs Untergang noch gestoppt werden könnte, wenn, ja wenn die Wähler*innen nur ihr Kreuz bei der AfD setzen.

Ähnlich populistisch, nur noch ein wenig platter präsentiert sich die AfD in ihrer Radiowahlwerbung. Hier zeigt die extrem rechte Partei, dass rechter Humor (bzw. das, was Rechte für Humor halten) sich vor allem aus Homophobie und der Diskriminierung von Minderheiten speist. Es unterhalten sich – im Pseudo-Hanseatischem Slang – Hein und sine Fru Helga. Die Frau beklagt sich, sie könne so nicht mehr weiter machen, es ist aus und vorbei, Helga hätte da jetzt eine Frau getroffen. Die erste Minute spielt der Spot damit, dass Hein befürchtet, seine Frau sei nun „vom anderen Ufer“, bis sich aufklärt, dass Helga sich nicht von ihm trennen will, sondern dass sie lediglich „mit so einer „Tussi vonne AfD geschnackt hätte“. Helga fühlt nun, dass ihre Ressentiments besonders gut bei der AfD aufgehoben sein könnten.

AfD wirbt mit einem „Schnack mit der Tussi vonne AfD“

Dieser vermeintlich einfachen „Frau aus dem Volk“ wird nun im Wahlspot Folgendes in den Mund gelegt: „Ich trau mich im Dunkeln nich mehr vorde Tür, (…) alle drehen durch wegen diesen CO2 und diese Chaoten von der Flora machen was sie wollen und dann pudert der Senat unseren neuen Mitbewohnern den Hintern, mit Milliarden. Hein, alles läuft aus dem Ruder“. Auch im Radiospot ist Hamburg dem Untergang geweiht. Und auch hier naht die Lösung: AfD wählen und so die Ehe und auch die Stadt retten. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Ende der unlustigen Comedy nach Geschmack der AfD.

Jede Satire sagt viel aus über diejenigen, die sie machen und auch über diejenigen, die darüber lachen. Wenn die AfD hier ihrem imaginierten „Wahlvolk“ aufs Maul schaut, dann kommen solche dumpfen Prototypen wie Hein & Helga Blöd dabei raus. Wollen wir hoffen, dass die Hamburger*innen real nicht so dumm sind, wie von der AfD imaginiert.

* AfD-Watch Hamburg verlinkt grundsätzlich nicht auf AfD-eigene Seiten oder Produkte.