Diskurs um „Innere Sicherheit“

Dramatisieren, Pauschalisieren, Stigmatisieren

Keine Woche vergeht, in der die AfD keine Anfragen zur Inneren Sicherheit stellt. Allein 138 gingen innerhalb eines letzten Jahres dazu ein. Die „Innere Sicherheit“ – ein Dauerbrenner der Rechtsaußen-Partei. Dies ist nicht ungewöhnlich für Rechtspopulisten, man erinnere an Hamburgs Ex-Innensenator Ronald Schill. Neu ist allenfalls, wie unverfroren die AfD den gefühlten „inneren Bedrohungszustand“ mit dem Thema Zuwanderung, vor allem von Muslimen, verknüpft, die von der AfD als invasiv und zersetzend imaginiert werden.

Um das Szenario einer permanenten Bedrohung von außen aufrecht erhalten zu können, scannt die AfD systematisch Polizeimeldungen nach der Herkunft des Täters (in der Regel sind es Männer), und wenn diese nicht bekannt ist, dann ist es ein Anlass, um nach ebendieser Herkunft zu fragen. Typische AfD-Anfragen zeigen meist schon im Titel das Anliegen, kriminelle Neigungen und die Herkunft bzw. den Status als Geflüchteter, bzw. Asylsuchender miteinander in Verbindung bringen zu wollen.

Hier nur eine kleine Auswahl dieses Anfrage-Typus: „Albanischer polizeibekannter Einbrecher“, „Kriminelle Familienclans – Ist das Phänomen auch in Hamburg bekannt?“, „Sechs Männer bei Razzia festgenommen – Sind sie illegal in Deutschland?“, „Kriminalitätsphänomene von Tschetschenen in Hamburg“ oder auch ganz direkt „Flüchtlinge und Kriminalität – Situation im zweiten Halbjahr 2018“ oder „Straftaten durch Ausländer in Hamburg – Abfrage für 2017“.

Kriminelle überall – trotz Rückgang der Straftaten

Hinzu kommen unzählige Anfragen, die sich der Gefährdung durch Islamististen/Salafisten oder auch Muslimen im Allgemeinen widmen. Hier auch nur eine kleine Auswahl aus den Anfragetiteln: „Kinder und Jugendliche aus salafistischen Familien – Hat der Senat einen Überblick?“, „Salafisten im Fokus – Ein Querschnitt der Hamburger Szene (Juli 2018)“, „Jihadistinnen aus Hamburg – Wie ist die Lage im August 2018?“, „Salafistische Moscheen in Hamburg – Wie ist die Lage im August 2018“.

Wie viele Titel schon andeuten, gibt es viele Standardanfragen, die die AfD Hamburg immer wieder einreicht. Allein die schriftliche Anfrage „Muslimische Intensivtäter in Hamburg“ wurde bisher 6 Mal gestellt, immer mit dem wortgleichen, ausführlichen Vortext, in dem muslimischen Jungen per se eine höhere Gewaltaffinität unterstellt wird. Die jeweiligen Senatsantworten spielen dabei keine Rolle, sie finden keinen Niederschlag in den Folgeanfragen. Hier geht es der AfD nicht um neuen Erkenntnisgewinn, sondern um das öffentlichkeitswirksame Schüren von Ressentiments am Fließband.

Die Statistik passt nicht in die Vorannahmen der AfD

Da hilft es nichts, dass bereits beantwortet wurde, dass die Polizei bei Strafermittlungen generell nicht nach Religionszugehörigkeit fragt. Auch lässt sich die AfD nicht davon beirren, dass unter den 504 in 2019 in Hamburg erfassten Intensivtätern vor allem die Gruppe der Deutschen mit 293 besonders hervorsticht. Auch findet keinerlei Lernprozess statt, was die komplexe statistische Erfassung von Straftaten betrifft, die sich nun mal an der bundesweit einheitlich geführten Massenstatistik wie der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) orientiert und nicht an den populistischen Vorannahmen der AfD.

Generell machen schon allein die allgemeinen Kriminalitätszahlen der AfD einen Strich durch die populistische Rechnung. Bereits im dritten Jahr in Folge ging die Gesamtzahl der erfassten Strafdelikte in Hamburg deutlich zurück. „Nicht nur das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden (Zahl der Taten je 100.000 Einwohner) ist so gering wie zuletzt 1980, auch die absolute Zahl der Straftaten sinkt auf den tiefsten Stand seit 37 Jahren“, so die Pressemitteilung zur Kriminalitätsstatistik 2018 der Behörde für Inneres und Sport – Polizei Hamburg. All dies spielt keine Rolle, solange die gefühlte Gefährdung der Inneren Sicherheit im öffentlichen Diskurs weiter am Kochen gehalten wird.

Gesellschaftliche Spaltung als Kerngeschäft der AfD

Mit möglichst vielen schriftlichen Anfragen Ressentiments schüren….

Gerade in den beiden Themenfeldern, in denen die AfD die meiste parlamentarische Aktivität zeigt, nämlich „Innere Sicherheit“ (135 kleine Anfragen) und „Flucht und Migration“ (97 kleine Anfragen), besteht eine große Themenverschränkung. In beiden Themenfeldern trumpft die AfD Hamburg mit aggressiven und ressentimentgeladenen Anfragen auf und fokussiert sich auf Menschen muslimischen Glaubens, die – so die Grundannahme der AfD – nicht integrierbar und besonders kriminalitätsanfällig seien.

Diese rassistische These gilt es zu verbreiten, möglichst öffentlichkeitswirksam, möglichst oft. Hier nur eine kleine Auswahl von typischen Anfragen: „Missbrauch von Kirchenasyl“, „Muslimische Frauenhäuser in Hamburg – Abfrage für Februar 2019“, „Zusätzliche Kosten in Flüchtlingsunterkünften während des Ramadans“, „Heimaturlaub in ,Kriegsgebieten‘ – Flüchtlinge missbrauchen Asylstatus (II)“, „Islamische Mehrehen in Hamburg – Abfrage für Mai 2019“.

Die AfD arbeitet rhetorisch mit pauschalisierenden Verallgemeinerungen („die Flüchtlinge“, „der Islam“, „die Muslime“) und konstruiert homogene Gruppen und Religionszugehörigkeiten, die keinesfalls Teil der eigenen, völkisch-national gedachten „Wir-Gruppe“ sein kann. Die Anfragen in dem Themenfeld sind insgesamt durchzogen von Fragen, die auf ressentiment-geladenen Vorannahmen und gefühlten Wahrheiten basieren.

Homogene Gruppen wohin man nur schaut

Ein Beispiel? So fragt der damalige Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse (DRS 21/9053), inwieweit sich „die islamischen Religionsgemeinschaften gegenwärtig am kulturellen und gesellschaftliche Leben der Stadt [beteiligen], wenn es einmal nicht darum geht, für den eigenen Glauben zu werben sowie in einzelnen Bereichen islamische Normen durchzusetzen, wie zum Beispiel Halal-Produkte in öffentlichen Kantinen, was bereits an vielen Orten in Hamburg dazu geführt hat, dass generell kein Schweinefleisch mehr serviert wird?“

Hier wird mit einer Frage allen Menschen muslimischen Glaubens abgesprochen, etwas zum Leben der Stadt beizutragen. Sie gestalten nicht – wie alle Bewohner*innen – automatisch Hamburg mit, indem sie z.B. hier arbeiten, zur Schule gehen, im Sportverein aktiv sind oder mit dem Bus fahren, etc. Vielmehr stellen Muslime in der Logik der AfD per se eine Bedrohung dar, die der Mehrheit ihre Nomen überstülpen will. Und während die einen („die Muslime“) Halal-Produkte durchsetzen wollen, wird den anderen („den Deutschen“) kein Schweinefleisch mehr serviert.

Diffuse Ängste & klare Feindbilder schüren

Gerne führt die AfD diffuse Beschwerden von Bürger*innen und Berichte vom Hörensagen als Belege an, etwa in der Anfrage „Gewaltkriminalität und das soziale Klima in Wilhelmsburg“ (DRS 21/18082), derzufolge „zahlreiche Anwohner Anstoß am öffentlichen Zelebrieren islamischer Rituale“ nehmen würden. Das Feindbild ist klar, die Reihen sind geschlossen. Eine vegetarische Muslima, ein schweinefleischverächtender Deutscher oder ein gemeinsam gefeiertes Fastenbrechen im Stadtteil? – all dies kommt in der Logik der AfD nicht vor. Damit negiert die AfD, wie vielfältig und globalisiert Identitäten und Lebensstile in einer von Einwanderung geprägten Stadt wie Hamburg sind, In diesem völkisch verarmten Weltbild finden sie keinen Widerhall.

Auch bei den Anträgen in dem Themenfeld lässt die AfD bereits im Titel keinen Zweifel an ihrer aggressiven, anti-migrationspolitischen Haltung aufkommen: „Keine Aufnahme der Bootsflüchtlinge von der ,Alan Kurdi‘ in Hamburg (DRS 21/16855), „Wer bestellt, der bezahlt! – Übernahme der Kosten für die ab Herbst 2015 erfolgte Masseneinwanderung durch den Bund“ (DRS 21/16695) oder „Leistungsmissbrauch verhindern: Sachleistungen für Asylbewerber und Ausreisepflichtige“ (DRS 21/14657).

So geht Populismus

Diejenigen Personen und Projekte hingegen, die für eine migrationsfreundliche und offene Gesellschaft stehen, geht die AfD direkt an. So will sie Flüchtlingsbürgen finanziell haften lassen (DRS 21/15126 , DRS 21/16053 , DRS 21/16760) und alle Projekte, die einen interkulturellen Austausch fördern, am liebsten sofort einstampfen, wie ein entsprechender Antrag auf Streichung der institutionellen Förderung (DRS 21/15305) zeigt.

Mit der AfD ist eine Partei in der Bürgerschaft vertreten, die sich offen rassistisch positioniert und Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit pauschal abwertet und mit  negativen Eigenschaften belegt. Die inflationär eingesetzen Copy-&Past-Anfragen in diesem Themenfeld zielen darauf, die Grenzen des Sag- und auch des Fragbaren immer weiter nach rechts zu verschieben. Die AfD arbeitet mit Diskriminierungen und ritualisierte Behauptungen und setzt auf einen Gewöhnungseffekt: Wo viel rassistischer Dreck geworfen wird, bleibt auch was hängen, so das Kalkül.