Schills Nachfolger mit rechten Kontakten

Dirk Nockemann ist einer der sehr wenigen AfD-Spitzenfunktionäre, welcher der Öffentlichkeit schon vor dem Einzug der Partei in die Hamburger Bürgerschaft 2015 bekannt waren und der einzige Abgeordnete, welcher Erfahrung aus der Parlamentsarbeit mitbrachte, denn Nockemann machte Karriere in der Schill-Partei PRO (Partei Rechtsstaatlicher Offensive), war kurzzeitig Nachfolger des „Richter Gnadenlos“ und Innensenator.
Er geriert sich auch heute gerne noch als harter Hund, als Mann für „law and order“, der bei Schill gelernt hat und scheut keine Kontakte in die extreme Rechte. Aktuell ist Nockemann Landesvorsitzender der Partei und zusammen mit Alexander Wolf Fraktionschef in der Bürgerschaft.
Der aktuelle Fraktions- und Parteichef war schon Mitglied sehr vieler Parteien und hat sich dabei tendenziell immer weiter nach rechts entwickelt. Der 61-jährige war in seiner Jugend tatsächlich mal bei den Jusos und der SPD aktiv. 1991 wählte er als Arbeitsplatz allerdings das CDU-geführte Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern und wurde 1993 Leiter des Landesamts für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, wo er zuletzt als Leitender Regierungsdirektor tätig war. Hier erwarb der Jurist eine gewisse Expertise im Ausländer- und Asylrecht, welche ihm heute noch für seine Agitation gegen Geflüchtete und Zugewanderte nützlich ist.
Schillernde Vergangenheit
Im Jahre 2000 witterte Nockemann dann seine politische Chance, trat in die Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO) ein und machte dort schnell Karriere. Er wurde die rechte Hand von Ronald Schill (Büroleiter), stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Leiter des Arbeitskreises Ausländerrecht der rechtspopulistischen Partei.
Nachdem Ronald Schill einen Erpressungsversuch gegen den damaligen Bürgermeister Ole von Beust initiiert hatte, wurde er entlassen und Nockemann trat kurzzeitig die Nachfolge als Innensenator an. Schon damals gerierte Nockemann sich als gnadenloser Politiker: Er wollte ein sechsjähriges Kind abschieben, dessen ghanaische Eltern seit Jahren legal in Deutschland gelebt hatten, jedoch versäumt hatten, die Papiere ihres Kindes in Ordnung zu bringen. „Wer sich hier nicht aufhalten darf, muss raus“, befahl Nockemann damals unter Mißachtung des besonderen Schutzes der Familie. Antifaschist*innen bleibt vor allem der von Nockemann zu verantwortende brutale Polizeieinsatz gegen eine Demonstration im Februar 2004 inklusive Wasserwerfereinsatz gegen die Auschwitzüberlebende und Ehrenbürgerin Esther Bejerano in Erinnerung.
Auf der Suche am braunen Rand
Kurz danach verpasste Nockemann als Spitzenkandidat von PRO jedoch mit 0,4% den Wiedereinzug in die Bürgerschaft und tingelte dann knapp 10 Jahre durch extrem rechte Kleinstparteien. So kündigte er gemeinsam mit dem Verschwörungstheoretiker und antimuslimischen Publizisten Udo Ulfkotte noch 2004 an, eine neue Partei zu planen. Offensichtlich ein Flopp, denn schon 2006 folgte die nächste Ankündigung, diesmal zusammen mit seinem Ex-Schill-Kollegen Norbert Frühauf (bis 2019 Bezirksabgeordneter der AfD). Ihr Wiederbelebungsversuch der vor sich hinsiechenden „Deutschen Zentrumspartei“ (DZP) blieb jedoch ebenfalls erfolglos.
Bemerkenswert ist jedoch, dass sich schon damals Nockemanns Weg mit einem späteren NPD-Kandidaten kreuzte, der – trotz Unvereinbarkeitsbeschluss – unter Nockemanns Mitverantwortung mehrere Jahre in der Hamburger AfD Mitglied war. Björn J. Neumann kandidierte 2004 für Nockemanns Schillpartei und 2008 für Nockemanns DZP zur Bürgerschaftswahl. 2011 trat Neumann dann jedoch als Spitzenkandidat der Hamburger NPD an und war damit eigentlich für eine spätere AfD-Mitgliedschaft verbrannt. Trotzdem war Neumann seit mindestens 2014 Mitglied in der AfD Hamburg. Erst 2017 wurde der Skandal öffentlich als Neumann sogar für den Bundesvorstand der AfD kandidierte. Landeschef Nockemann konnte den Vorgang gegenüber den Medien nicht hinreichend erklären.

Auf seiner erfolglosen Suche nach einer neuen Parteikarriere kreuzten sich die Wege des heutigen Fraktionsvorsitzenden noch mit einer weiterenen rechtsextremistischen Kleinstpartei: 2010 tauchte Nockemann laut Bericht von Manfred Rouhs bei einer Veranstaltung der rassistischen „Pro Deutschland“ (Pro-D) auf, welche sich damals bundesweit ausdehnen wollte und eine Kandidatur zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2011 plante. Pro-D wurde für das Jahr 2010 schon im Verfassungsschutzbericht von Nordrhein-Westfalen erwähnt. Auf dem Podium saß neben dem Pro-D-Vorsitzenden Rouhs eine ehemalige Weggefährtin von Nockemann aus der Schillpartei, Gerda Wittuhn. Zufällig dürfte sich Nockemann kaum auf diese konspirativ durchgeführte Veranstaltung verirrt haben.
Weiterhin Kontaktpflege nach Rechtsaußen
Auch nach seinem Eintritt in die AfD 2013 pflegte Nockemann Kontakte nach rechtsaußen bis hin in Milieus, welche vom Inlandsgeheimdienst als rechtsextremistisch beobachtet werden. 2015 berichteten taz und NDR über diverse Facebookfreundschaften von Nockemann, darunter die VS-bekannten Michael Stürzenberger, Manfred Rouhs sowie weitere frühere Pro-D-Aktivisten und auch NPD-Mitglieder. Wenn Hans und Nazi-Franz sich auf Facebook miteinander befreunden, dann kann das aus Naivität geschehen. Ein Spitzenpolitiker weiß jedoch genau die Brisanz von Kontakten in die rechtsextremistische Szene einzuschätzen. Dies bestätigte Nockemann sogar indirekt dem ARD-Politmagazin Panorama „Ich war vorher Innensenator, und ich muss auch aus eigener Überzeugung genau abwägen, mit wem ich rede“.
Die Kontaktpflege ist dem innenpolitischen Sprecher der AfD jedoch wohl immer noch wichtiger, als eine Distanzierung vom rechten Rand der sozialen Netzwerke. 2018 warnte der Hamburger Verfassungsschutz in einer Mitteilung vor personellen und inhaltlichen Nähen der Hamburger AfD zu den Nazi-Aufmärschen von Merkel-muss-weg (MMW). In dem Text wurden zwar keine Namen genannt, dort hieß es nur, „darüber hinaus ist der maßgebliche Versammlungsleiter mit führenden Hamburger AfD-Protagonisten über Facebook ‚befreundet’“. Ein Blick in die Freundesliste von Thomas Gardlo offenbarte jedoch eben diese Kontakte zu Nockemann und anderen Hamburger AfD-Funktionären. Auch hier gilt: Facebook-Freundschaften zu suchen und Freundschaftsanfragen zuzustimmen, ist eine bewusste Entscheidung.
Unterstützung rechter Demonstrationspolitik
Die Unterstützung für rechte Aufmärsche wie PEGIDA und MMW betreibt Nockemann in der AfD schon länger. 2014 schrieb er stolz, dass sein Bergedorfer Bezirksverband eine Fahrt zum PEGIDA-Aufmarsch nach Dresden mit Bussen unterstütze und alle Mitglieder mobilisiere. Im Februar 2018 erfolgte dann eine explizite Empfehlung für die MMW-Aufmärsche, die für ihn „hauptsächlich bürgerliche Konservative“ seien. Und im März 2018 eine Würdigung der rechtsextremistisch beeinflussten Aufmärsche im saarländischen Kandel.
Die rechten Aufmärsche werden von Nockemann jedoch nicht nur in sozialen Netzwerken beworben, sondern auch durch apologetische Kleine Anfragen in der Bürgerschaft zu MMW unterstützt. So behauptete er im März, entgegen der damals schon bekannten Erkenntnisse des Senats, an diesen würden sich „Bürger, die zuvor politisch nicht in Erscheinung getreten waren und daher schwerlich einer bestimmten politischen Richtung, geschweige denn einer radikalen oder extremen Strömung zugeordnet werden könnten“ beteiligen.
Ebenfalls in dieses Bild passt die Würdigung Nockemann für eine spektakuläre Besetzung des Brandenburger Tores 2016 in Berlin durch die völkische Identitären Bewegung (IB) und seine Empfehlung insbesondere die (rechten) Kommentare zu dem Ereignis zu lesen. Oder umgekehrt seine öffentlich erklärte Erleichterung über den Austritt von Prof. Jörn Kruse aus der Hamburger AfD. Der als konservativ geltende Kruse hatte letztes Jahr öffentlich die Demonstrationspolitik der AfD und den praktizierten Schulterschluss mit Neonazis kritisiert. Auf Betreiben Nockemanns bekam Kruse daraufhin einen Maulkorb verpasst. Den von Kruse kritisierten Rechtsruck bestritt Nockemann selbstverständlich, es gäbe „keinen Schulterschluss mit Rechtsaußen.“