Der Scharlatan der AfD – Harald Feineis, ein evangelikaler Abgeordneter

Dass in der AfD auch fundamentale Christ*innen ihren Platz finden, ist allgemein bekannt. So sorgen sich Partei wie auch reaktionäre Gläubige um die Erhaltung der traditionellen Ehe, die angeblich natürlichen Rollen von Mann und Frau. Viele fürchten wie der Teufel das Weihwasser frühkindliche Sexualerziehung, vorehelichen Geschlechtsverkehr sowie homosexuelle und queere Lebensweisen. Wie weit religiös verbrämte Ideologie allerdings gehen kann, offenbart das Beispiel des Abgeordneten Harald Feineis, der aus dem evangelikalen Spektrum kommt und bis vor Kurzem eine Homepage mitverantwortete, welche den Namen „doktorjesus.eu“ trug und Wunderheilungen durch Gebete versprach.
Wunderheilungen, Handauflegung und evangelikale Krebstherapie
Wie Jesus einst Kranke durch Handauflegen geheilt haben soll, so versprach es die Internetseite doktorjesus.eu, auf der „ein Team aus verschiedenen Kirchen und Gemeinden“ ihre Dienste anbot. Als Kontakt war Harald Feineis mit seiner Telefonnummer angegeben. Nun mögen fromme Wünsche und Gebete manchen Menschen in psychologischer Hinsicht helfen, auch der Placebo-Effekt, der aus der Schulmedizin bekannt ist, beruht auf (Auto-) Suggestion. Problematisch werden solche Angebote jedoch dann, wenn teilweise unheilbar erkrankten Menschen göttliche Hilfe und Heilung versprochen wird, wie es Feineis und seine Gesundbeter getan haben. Unter dem Motto „Jesus heilt heute noch“ wurden bis mindestens Mitte 2018 „Erfahrungen im Heilungs- und Befreiungsdienst“ von angeblich oder tatsächlichen existierenden Personen in „Erlebnisberichten“ veröffentlicht:

Heinz z.B. wurde angeblich geheilt von seinem nicht therapierbaren orthopädischen Schmerzen, die ihn beinahe in den Selbstmord trieben. „Wir sprachen im Namen Jesu zu den Bandscheiben“, schrieb das Feineis-Team, „führten eine Lebensbereinigung durch“ und schon bald war Heinz geheilt, benötigte keine Schmerzmittel mehr und lobpreiste Gott. Bernhard „war porno-, drogen- und alkoholsüchtig“ und „wechselte die Frauen, wie sein Oberhemd“. Für die christlichen Heiler wahrscheinlich ein Paradebeispiel für ein sündiges Leben in einer dekadenten, hedonistischen und gottlosen Gesellschaft. Eine Familienaufstellung und eine psychologische Betreuung blieben angeblich erfolglos, bis dann ein Bekenntnisgebet und Handauflegen laut „doktorjesus“ zu Zittern, starkem Husten und beinahe Erbrechen führte und jeglichen Einfluss von Promiskuität und Pornografie brachen.
Ähnlich einfach war laut doktorjesus.eu auch die Heilung eines kleinen Mädchens mit einem verkürzten Bein. Nach wenigen Tagen und ein paar Gebeten zu dem Bein konnte das Kind angeblich wieder problemlos laufen. Dass es allerdings die richtigen Gebete sein müssen, offenbart das angebliche Beispiel von Nicole und ihrem Dickdarmkarzinom. Ihre ursprüngliche Gemeinde hatte vergeblich gebetet, erst als das Feineins-Team „zu dem Krebs“ sprach, „dass es im Namen von Jesus zu gehen hat“, bewegte sich die Bauchdecke „wellenartig … als sie etwas verlies … Sie fühlte sich frei und gesund.“
Krank? Selber schuld!

Harald Feineis vertritt seine Partei im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft. Eine besondere Qualifikation hat er dafür offensichtlich nicht, wohl eher eine obskure Auffassung von Krankheit und Gesundheit im dogmatisch evangelikalen Sinne. So hieß es auf der zitierten Homepage im Kapitel Krankheit, „der Ungehorsam des ersten Menschen“, oder mit anderen Worten „Satan“ hätten „Tod, Not, Krankheit, Armut und Elend“ auf die Welt gebracht. Alles Leid auf diesem Planeten sei dementsprechend ein geistliches Problem, welches dem Ungehorsam der Menschen gegenüber Gott geschuldet sei. Und es gipfelt in der Behauptung, „ein geistliches Problem kann dann auch nachhaltig nur durch ein geistliches ‚Mittel’ gelöst werden. Dieses ‚Mittel’ ist Jesus Christus.“ Diese Definition von Krankheit als Bestrafung für Sünden ist in vielen evangelikalen Gemeinden üblich – und macht damit letztlich Kranke selbst für ihren Zustand verantwortlich.
Woher kommt der „Doktor“-Titel?
Die Seite von doktorjesus.eu wurde zwar inzwischen gelöscht und ist nur noch per Archiv-Suchmaschine im Internet zu finden. Allerdings bietet Feineis auch heute noch seine Dienste an anderer Stelle an. „Wenn Sie körperlich krank sind, oder seelische Nöte haben, wir sind für Sie da … Unzählige Berichte von Heilungen durch Gebet … bestätigen, dass der Auftrag Jesu für Heilung zu beten heute noch aktuell ist“, wirbt der „Healing-Room“ einer Pfingstgemeinde in Neugraben für die Tätigkeit von Feineis .[1]Wie schon auf doktorjesus.eu wird auch hier mit dem Titel „D.Min. (Dr.)“ des Pastors geworben und auch in dem Harburger Anzeigen Blatt „Der Neue Ruf“ wurde er schon als „Pastor Dr. Feineis“ angekündigt.

2004 bekam Feineis den Titel Doctor of Ministry einer evangelikalen Universität, der „School of Bible Theology Seminary and University (SBTSU)“ mit ebenso fragwürdiger Akkreditierung. AfD-Watch Hamburg befragte dazu Larry Rosenthal, Professor der Goldman School of Public Policy an der University of Califonia, Berkeley. Er antwortete, dass sowohl die SBTSU, wie auch Akkreditierungsagentur einen sehr zweifelhaften Ruf haben: „Sowohl die SBTSU als auch die Akkreditierungsagentur befinden sich in San Jancinto, einer kleinen Stadt in Riverside County California. Das macht beide Institutionen noch verdächtiger, euer AfD-Mann hat also einen Abschluss von höchst zweifelhaftem Gehalt und Glaubwürdigkeit.“ Feineis‘ spezielle Bibelschule und Universität, die auf Facebook 713 Fans hat, präsentiert sich dort vor allem mit Fotos von pompösen Doktortitel-Verleihungen.
Am Ende bleibt nur der Rassismus übrig
Ein nur bei Evangelikalen gültiger Titel einer unbekannten Fernuni und mangelnde Expertise hindern Feineis allerdings nicht daran pseudo-medizinisch verpackt das zu tun, was die AfD-Abgeordneten gerne machen – rassistisch konnotierte Anfragen stellen. So behauptete er im November 2018 unter dem Titel „Infektionskrankheiten durch Flüchtlinge und Asylbewerber“, eine angeblich „unkontrollierte Migration nach Deutschland“ (DRS 21/14924) hätte seit 2015 eine Reihe von Infektionskrankheiten nach Deutschland gebracht, „die hier nicht mehr oder nie existierten.“ Dies stelle angeblich Bevölkerung und ärztliches Personal vor enorme Herausforderungen und gefährde über eine mögliche Verbreitung in Kitas und Schulen die Allgemeinheit. Der Senat antwortete darauf knapp aber deutlich: „Entgegen der Aussage im Vorspann treten die dort genannten üblichen Infektionskrankheiten generell immer wieder in der Bevölkerung auf… Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht keine relevante Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Flüchtlinge und Asylsuchende.“
Noch dreister ist der Doctor of Ministry allerdings, wenn er selbst die Befähigung oder Anerkennung von Universitätsabschlüssen von Akademiker*innen anzweifelt, so sie denn nicht aus der EU, wohlmöglich gar aus muslimischen Ländern wie Syrien oder Ägypten stammen, wie es Feineis mit seiner Anfrage „Ärzte aus Drittstaaten“ (DRS 21/12262) insinuiert.
Der Gesundheitsexperte der AfD war bisher Fachbauleiter und Ingenieur, zeitweise auch in Südafrika zu Zeiten der Apartheid. Er war Coach und wurde, nachdem er 1984 „zum lebendigen Glauben an Jesus Christus“ fand, Pastor, eine medizinische Ausbildung hat er nicht. Die göttliche Eingebung, Gesundbeten und ein zweifelhafter Titel reichen vielleicht, um ein paar Evangelikale oder AfDler*innen zu beeindrucken, für den Gesundheitsausschuss hat er sich jedoch disqualifiziert. Mit seinen angeblichen Heilungen stellt er vielmehr eine Gefahr für schwer erkrankte Menschen dar, die verzweifelt nach Unterstützung suchen und statt ärztlicher Hilfe mit angeblichen Wundern abgespeist werden.