Ein Wolf im Schafspelz

Alexander Wolf ist zusammen mit Dirk Nockemann Co-Fraktionsvorsitzender und beinahe wäre er Ende 2017 auch Landesvorsitzender der Partei geworden. Eine steile Karriere, denn bei der letzten Bürgerschaftswahl war Wolf noch nicht einmal auf einem sicheren Listenplatz platziert worden und gelangte nur durch Stimmenkumulation ins Parlament. Im Auftreten wirkt Rechtsanwalt Dr. Wolf bürgerlich-honorig und weniger hemdsärmelig als Nockemann. Er weiß sich eloquent auszudrücken und wägt seine Worte bei Reden sorgfältig ab. Inhaltlich scharf, doch ohne Pöbeleien, wie sonst oft in der AfD, scheint seine Devise zu sein. Wolf dürfte spätestens seit dem Frühjahr 2019 über die Partei hinaus bekannt sein, als ihm mittels des von ihm erfundenen Lehrerprangers „Neutrale Schule Hamburg“ und der Denunzierung von Lehrkörper und Schüler*innen der Ida-Ehre-Schule der bisher größte mediale Coup der Hamburger AfD gelang. Bundesweit wurde über Wolfs Schulpolitik berichtet, sein Denunziationsportal dient inzwischen vielen anderen Landesverbänden als Vorbild.
In einem innerparteilichen Machtkampf Ende 2017 genoss der stellvertretende Landesvorsitzende das Vertrauen der ehemaligen Fraktions- und Landeschefs Jörn Kruse und Bernd Baumann und verfügt über eine solide Hausmacht. Nach dem Austritt von Kruse und dem Wechsel Baumanns in den Bundestag dürfte Wolf nun der wichtigste Mann der Hamburger AfD sein. Wolf hat als einziger Abgeordneter eine jahrzehntelange Sozialisation in der extremen Rechten hinter sich, schon früh partei- und andere politische Erfahrungen gesammelt und seine Politik nun strategisch dem Hamburger Politikbetrieb angepasst. Ohne die Beachtung seiner Herkunft aus der Münchner Burschenschaft Danubia lässt sich seine politische Karriere (und auch sein privates Leben) nicht analysieren [1].
Wolfs Studienjahre bei Danubia und den Republikanern

Wolf wurde 1967 in Leipzig geboren und durfte 1979 in die BRD übersiedeln, wo er 1987 in München Abitur machte und zwei Jahre später als junger Student in die Burschenschaft Danubia eintrat. Die Danubia gehört dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) an und innerhalb dieser wiederum dem völkisch-nationalistischen Kartell „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ (BG). Schon in den 1970er Jahren beteiligten sich Danuben am Nationaldemokratischen Hochschulbund (NHB) der Studentenorganisation der NPD. Im Handbuch Deutscher Rechtsextremismus von 1996 kann man über die damalige Zeit lesen: „Die Danubia muß als rechtsextreme Kaderschmiede für den Hochschulbereich bezeichnet werden. Sie verfolgt das Ziel, rechts vom Konservatismus tragfähige, parteiförmige oder studentische Strukturen zu schaffen“ und orientiere sich dabei an ethnopluralistischen Vorstellungen. Diese Einordnung ist bis heute zutreffend. In der aktuellen Selbstdarstellung heißt es auf der Homepage der Danubia: „Dabei bekennen wir uns zur deutschen Kultur- und Volksgemeinschaft und treten konsequent für das Selbstbestimmungsrecht aller Völker ein.“ Schon 1937 definierte Meyers Konversations-Lexikon Volksgemeinschaft als „Zentralbegriff des nationalsozialistischen Denken(s)“. Der Begriff ist bis heute ein wichtiges Ideologem der neofaschistischen Rechten und in diesem Kontext kann das Selbstbestimmungsrecht, welches die Danubia hier fordert, auch nur ethnopluralistisch, bzw. völkisch interpretiert werden.

An der Bildung von parteiförmigen und studentischen Strukturen rechts der Unionsparteien beteiligte sich Alexander Wolf in führender Position. Am 16. Mai 1989 gründete er zusammen mit Danuben-Bruder Hans-Ullrich Kopp den Republikanischen Hochschulverein (RHV), den offiziellen Studentenverband der Partei Republikaner (REP). Die Gründungsversammlung fand in Wolfs Burschenschaft statt, bei der ersten öffentlichen Versammlung war REP-Vorsitzender Franz Schönhuber anwesend, der ein Jahr zuvor sein apologetisches Buch „Ich war dabei“ über seine Zeit bei der verbrecherischen Waffen-SS veröffentlicht hatte. Kurze Zeit (1989/90) war Alexander Wolf auch Mitglied der Mutterorganisation REP. Wolf rechtfertigt sich heute gegenüber dem Abendblatt, dass er REP und RHV im Frühjahr 1990 verlassen habe, um nicht als „liberal-konservatives Feigenblatt“ missbraucht zu werden.
Allerdings dürfte auch die politische Ausgrenzung in Bayern („Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!“, Franz Josef Strauss) und die schrittweise Beobachtung der REP durch einige Landesämter für Verfassungsschutz ab September 1989 (ab 1992 durch das Bundesamt), dem Strategen Wolf die Perspektivlosigkeit und Karriere-Gefährdung des Parteienprojekts deutlich gemacht haben. Ein Kamerad aus damaligen Zeiten mit dem Wolf bis heute befreundet ist, heißt Gerhard Frey jun. Er ist der Sohn des ehemaligen Chefs der neofaschistischen Deutschen Volksunion (DVU) und Herausgeber der Deutschen Nationalzeitung Gerhard Frey sen. Auch Frey jun. war in den 1990er Jahren für die DVU in führender Position tätig. Als Multimillionär Frey sen. 2013 starb, verschenkte der Junior eine Pistole aus dem Nachlass an Alexander Wolf.
Engagement für die „Junge Freiheit“

Politisch bedeutender für Wolf dürfte in den frühen 1990er Jahren jedoch das Zeitungsprojekt Junge Freiheit (JF) gewesen sein. Die wichtigste Zeitung der Neuen Rechten wurde in der Anfangszeit maßgeblich durch burschenschaftliche und korporierte Autoren und Leser*innen geprägt. Der langjähriger Bekannte von Wolf, Hans-Ullrich Kopp (*1962) war in den 1990er Jahren Redakteur und wichtigster Autor der JF und auch sonst als Multifunktionär der extremen Rechten tätig. Kopp war außerdem von 1993 bis 1998 Vorsitzender des Altherrenverbandes (AHV) der Danubia und übergab dieses Amt danach an Alexander Wolf.
Auch Wolf schrieb für die JF und diente dieser als Interviewpartner. Darüber hinaus leitete er 1991 einen JF-Lesekreis im „Jungkonservativen Club“ in München. Sein Bundesbruder und RHV-Vorstandskollege Kopp betrieb in der JF jedoch zu offene NS-Apologetik und verlies 1995 die Zeitung. Auch wenn Wolf nur wenig für das Zentralorgan der Neuen Rechten publizierte, so muss er doch zu dem Projekt eine besondere Verbundenheit spüren: Zur Feier des 30-jährigen Jubiläums der JF reiste er 2016 nach Berlin und führte Gespräche mit anderen Teilnehmenden, wie ein Video der rechten Zeitung auf Youtube belegt.
Ein verzögerter Nazi-Skandal

Im Gegensatz zu Kopp, der schon in den 1990er Jahren durch NS-Apologetik auffiel, wurde diese von Wolf erst Ende 2017 bekannt. In seiner aktiven Zeit, zum Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, hatte er 1994 für seine Danubia ein Liederbuch mit dem martialischen Titel „Schlachtruf – Nationale Lieder“ herausgegeben. Dieses wurde allerdings erst über 20 Jahre später, wahrscheinlich durch parteiinterne Gegner, kurz vor einem AfD-Landesparteitag an die Medien gegeben. In dem Buch waren verschiedene nationalsozialistische Lieder abgedruckt, darunter auch die in Deutschland nach § 86 verbotene Hitlerjugend-Hymne „Unsere Fahne flattert uns voran“. Taktiker und Jurist Wolf, er legte in dem Jahr der Veröffentlichung das erste Staatsexamen ab, hatte allerdings die Worte „Hitler“ und „Führer“ durch „Deutschland“ ersetzt und beugte damit der Strafverfolgung vor. In einleitenden Worten schrieb Wolf in seinem Liederbuch: „’Der Schlachtruf’ soll einen Beitrag liefern zu Wut, Trauer, Scham und Entsetzen angesichts der nun 50 Jahre zurückliegenden bedingungslosen Kapitulation und aufrufen zu einem entschlossenen ‚Nie wieder’!“ (Gemeint ist nicht, nie wieder Faschismus, sondern nie wieder eine deutsche Niederlage.)
Wolfs geschichtsrevisionistischen Ansichten haben sich – 21 Jahre später als AfD-Abgeordneter – nur um Nuancen geändert, wenn er 2015 zum Jahretag der Befreiung distanzlos einen hämischen Artikel von Autor Pankraz aus der JF zitiert: Die Feierlichkeiten seien, „wie in Honnecker-Zeiten“ wo sich der „in Deutschland herrschende politisch-mediale Komplex“ bei einer „Gauck-Zeremonie“ wieder einmal „vollaustoben könne(n), in Schuldbekenntnissen und untertänigsten Dankbarkeitsbezeugungen“.
Kolonialrassistische Kontakte
Nachdem Wolf 1994 sein Jurastudium beendet hatte, machte er sein Referendariat, inklusive eines Auslandsaufenthalts in Namibia. Auch hier war er in burschenschaftlichen Kreisen unterwegs. Das Hamburg Abendblatt berichtete, dass er einem „Waffenring“ in Winhoeck angehörte, einem Zusammenschluss von Mitgliedern schlagender Studentenverbindungen in der Hauptstadt der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“. Namibia ist bis heute beliebt bei völkischen-rassistischen und kolonial-romantischen Deutschen, teilweise treibt das Deutschtum dort erschreckende Blüten. Auch Wolf reist regelmäßig dorthin.
Einer der ebenfalls im Waffenring Windhoeck vernetzt war, war der Schwiegervater von Wolf, Ralph Schröder, ehemaliger Vorsitzender der Burschenschaft Thuringia Braunschweig und burschenschaftlicher Experte für „Volkstumsarbeit“. Volkstumsarbeit betrieb Schröder allerdings nicht nur für die Deutsche Burschenschaft, sondern auch als erster Vorsitzender in einem NPD-nahen Verein namens „Hilfskomitee südliches Afrika.“ Dieser wurde gegründet als die ehemaligen Kolonialisten an Einfluss im südlichen Afrika verloren und die internationale Boykott-Bewegung gegen das Apartheidsregime stärker wurde. „Das Überleben sichern“ (der „Weißen“) ist das Motto des deutschen Rassisten-Vereins. Im Netzauftritt wird als Impressum bis heute Ralph Schröder mit einer Villa in Hamburg angegeben, die jetzt von Alexander Wolf und seiner Familie bewohnt wird.
Hat der Wolf nur Kreide gefressen?
Schon die Beispiele des kurzen Engagements bei den Republikanern und die Verfremdung des Naziliedes lassen vermuten, dass der Jurist Wolf einen sehr abwägenden Umgang mit verfassungsfeindlichen oder gar strafbaren politischen Positionen und Organisationen pflegt. Er hebt gegenüber dem Abendblatt hervor, dass die Danubia während seiner aktiven Zeit als Student noch nicht vom Geheimdienst beobachtet wurde und er in den Zeiten der Beobachtung der Aktivitas, also der Füxe und Burschen (2001 – 2006 und ab 2011 bis heute), „nur noch“ einfacher Alter Herr gewesen sei. Dies stimmt zwar formal, allerdings spielt Wolf sowohl sein persönliches wie auch das allgemeine Engagement der Alten Herren deutlich herunter. Die berufstätige Altherrenschaft finanziert zu einem guten Teil das Burschenhaus, in dem sich „rechtsextremistische“ Referenten und Zuhörer treffen. Dass sich die Danubia als Gesamtverband der jungen Burschen und Alten Herren gerne auch rechts des Verfassungsbogens positioniert, schreibt sie ganz offen auf ihrer Homepage: „Die akademische Freiheit verteidigen wir so auch gegen autoritäre Innenminister“ und nennt ihre Vortragsabende mit einschlägigen Referenten dementsprechend „Herrschaftsfreier Dialog“.
Wenn Wolf heute im Zusammenhang mit der geheimdienstlichen Beobachtung der AfD-Teilorganisation „Der Flügel“ in einem Statement sagt, man brauche den Flügel nicht mehr, werde sich inhaltlich aber nicht mäßigen und weiter „klare Kante beziehen“, dann dürfte dieses taktische Verhältnis zu Grundgesetz, Rechtsstaat und Innenministerien mehr der Befürchtung vor staatlicher Repression und Beobachtung geschuldet sein, als ideologischer Differenzen. Schließlich entspricht die völkisch-nationalistische Positionierung des Flügels ziemlich genau dem Volksgemeinschafts-Gedanken der Danubia. Eine inhaltliche Distanzierung Wolfs zu den extrem rechten Aktivitäten und Positionierungen seiner Burschenschaft oder auch zu jenen des völkischen Flügels sucht man jedenfalls vergebens. (siehe dazu auch den Artikel zum Flügel)
Literatur
[1] Zur Bedeutung von Koporierten für die parlamentarische Arbeit der AfD siehe auch Recherchen der taz: https://taz.de/Rechercheprojekt-Netzwerk-AfD/ und der Zeit: www.zeit.de/afd-abgeordnete-rechte-burschenschaften Speziell zu Wolfs Danubia siehe auch den Blogartikel: http://antifra.blog.rosalux.de/projekttag-mit-nazi-intervention
Zum parlamentarischen Wirken von Alexander Wolf siehe auch den Watch-Blog-Artikel „Sein Auftrag: Anti-Antifa-Arbeit! vom 6.11.19.
Zum Engagement Wolfs für die völkisch-nationalistische Burschenschaft Danubia siehe auch den Watch-Blog-Artikel „AfD-Fraktionschef Wolf fördert Immobilie der extremen Rechten“ vom 5.1.20.