
Foto: cBW
Gemessen an der immensen Bedeutung, die Antifeminismus für die Selbstversicherung und spektrenübergreifende Mobilisierung der extremen Rechten spielt, kann die Hamburger AfD in diesem Bereich als eher durchschnittlich gelten. Die parlamentarische Arbeit in diesem Themenfeld ist wenig originell und deckt sich in weiten Teilen mit dem, was große Teile der Gesellschaft über „Gender-Gaga“ denken: Gleichstellungsmaßnahmen und Gender Mainstreaming seien teure, sinnlose Partikularinteressen einer kleinen, ideologisch radikalen Minderheit; die Sichtbarmachung vielfältiger Geschlechtsidentitäten sei Firlefanz.
Das unterscheidet sich nur insoweit von üblichen Feuilletonbeiträgen in der FAZ oder Süddeutschen, als dass die AfD das Thema Gleichstellung gerne mit zwei anderen Bereichen verknüpft: antimuslimischem Rassismus und Angriffen auf die Freiheit von Wissenschaft und Kunst. In Hamburg wäre alles ok in Sachen Geschlechterverhältnis, so der AfD-Tenor – wenn nur nicht all die muslimischen Frauen die heimischen Frauenhäuser verstopfen und die irren Feministinnen Steuergelder für Gender studies verschwenden würden. Die Kandidatin, die diese Themenfelder offensichtlich abdecken soll, ist Monika Winkler. Sie ist neu im politischen Geschäft, aber als Mutter von vier Kindern und vier Enkeln, kandidiert sie mit ihrem „Kernthema Familie“ nun auf Listenplatz 3.
Hamburger Leerstellen
Bundesweit ist der AfD, gemeinsam mit Spektren wie „Demo für alle“ und „Besorgte Eltern“, die sogenannte Frühsexualisierung ein Dorn im Auge – damit ist Sexualpädagogik gemeint, die auch nicht-heterosexuelle Begehren und Familienformen thematisiert. Jedoch interessiert sich die Hamburger AfD augenscheinlich nicht dafür. Auch insgesamt bleibt der Bereich der reproduktiven Rechte und der sexuellen Vielfalt unterbelichtet. Vermutlich soll Monika Winkler, die „überzeugte Christin“, diesen AfD-Kernbereich künftig abdecken. Sie will „Sexualaufklärung im Elternhaus, keinesfalls in der Grundschule“ verorten und sieht den CSD als „Anbiederung“ gegenüber Homosexuellen(so ein überaus wohlwollendes Portrait von ihr in der Zeit).

Einen großen antifeministischen Auftritt hatte die AfD in Person von Dirk Nockemann angesichts des Antrags der Grünen-Fraktion, eine Geschlechterparität auf den Wahllisten der Parteien zur Bürgerschaft verpflichtend einzuführen. Quoten sind zwar auch in der feministischen Szene umstritten, allerdings auch bekannt als eins der wirksamsten Mittel, die tatsächliche Repräsentation strukturell benachteiligter Personengruppen schnell zu erhöhen – und entsprechend in keinem Bereich überhaupt verpflichtend eingeführt. In AfD-Sprech dagegen sind Quoten erstens omnipräsent und führen immer zu „Mittelmaß“, ein Attribut, das natürlich für keinen einzigen Mann in Führungspositionen gilt.
Chancengleichheit? Igitt!
Nockemann lieferte in seinem Redebeitrag zu diesem Antrag die ganze Palette antifeministischer Argumente: die individuelle Lebensentwürfe von Frauen entzögen sich „links-grüner Ideologie“, und Frauen interessierten sich nunmal weniger für Politik als Männer. Er warf den Grünen vor, sich dort an feministischen Fragen abzuarbeiten, wo Chancengleichheit bereits gegeben sei, sich dagegen nicht für die Gleichberechtigung muslimischer Frauen, die Kopftuch tragen müssen, einzusetzen.
In der AfD-Wurfzeitung „Uns Hamburg“ (Ausgabe 7) wird unter Nockemanns platten Erguss gegen die Quote ein Text von Monika Winkler arrangiert, in dem sie sich ebenfalls – wenn auch perfider – gegen die Quote positioniert: „Nur wer sich selbst seines Wertes bewusst ist, der kann selbstbewusst Unterschiede von Mann und Frau akzeptieren und nutzen. Darin liegt Potential“, so Winklers Fazit. Strukturelle Ungleichheit, patriarchale Gewalt- und Machtverhältnisse werden von ihr mit einem Handschlag weggewischt. Diejenigen Frauen, die es nicht schaffen, so Winklers Botschaft, sich mit den unguten Verhältnissen zu arrangieren und diese für sich zu nutzen, haben eben Pech gehabt. Wer sich in der engen Kernfamilie nicht bewegt, spürt auch seine Fesseln nicht.
Manische Fokussierung auf Gender Studies
Gleich mehrere Anfragen zeigen, wie wenig die AfD die Freiheit der Wissenschaft respektiert. Detlef Ehlebracht forderte in einer Anfrage mit dem Titel „Gender-Wahn an Hamburger Hochschulen“ (DRS 21/7861) direkt eine Mitsprache des Senats an der inhaltlichen Entwicklung von Lehrmodulen mit Genderschwerpunkt. Das Forschungsfeld Gender Studies ist zu einem beliebten Feindbild der antifeministischen Rechten geworden, und die AfD nimmt überall diesen Ball gerne auf und plagt die Universitäten mit Anfragen zur genauen Aufschlüsselung von Professuren und Mitarbeiter*innen mit Voll- oder Teildenomination Genderforschung.
Die Anfrage von Alexander Wolf (DRS 21/12987) vom Mai 2018 wurde mit leicht veränderten Vorzeichen übrigens im September desselben Jahres noch einmal von Carsten Ovens von der CDU gestellt, der hatte bereits 2015 schon nach dem Umfang der Gender Studies an den Hamburger Hochschulen (DRS 21/729) gefragt. Die etwas manische Fokussierung auf das imaginierte gigantische Ausmaß der Gender Studies verfolgt das Fernziel, öffentliche Förderung für Forschungsrichtungen einzustellen, die nicht mit dem Modell biologisch festgelegter Zweigeschlechtlichkeit operieren.
Kampffeld Kopftuch
AfD und CDU ähneln sich ebenfalls in ihrem Interesse für spezifisch weibliche Kopfbedeckungen. Mehrere AfD- und eine CDU-Anfragen befassen sich mit dem drängenden Problem der Vollverschleierung im öffentlichen Raum, die laut der AfD verboten werden soll, und der von Mädchen in der Grundschule, die der CDU Sorge bereitet. Beide Parteien vermischen Hijab (Kopftuch) und Niqab oder Burka (Teil- und Vollverschleierungen), und hier geht es unter Vorgabe teils der Sorge um Kindes- oder Frauenrechte, teils der um die religiöse Neutralitätt, um den faktischen Ausschluss von Muslimas aus dem öffentlichen Leben, aus bestimmten Berufen und Schulen – ein offensichtlich antifeministisches Anliegen.
Sexuelle und reproduktive Rechte
In säkularisierten Metropolen wie Hamburg haben es Kämpfer*innen gegen sexuelle Vielfalt schwer. Dennoch versucht die AfD Themen aus den Spektren der Lebensschützer*innen, der evangelikalen und konservativen Christ*innen sowie anderer aufzunehmen, die sich gegen sexuelle Selbstbestimmung richten und dabei viele Teilerfolge verbuchen können. Der Kampf für die weitere Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist dabei ein Thema, dem auch die AfD eine Anfrage gewidmet hat – kaum nötig, denn die Bundespolitik hat gerade mit einem weiteren faulen Kompromiss sogar die Informationsmöglichkeiten dazu erneut kriminalisiert.
Gender als Containerbegriff
Innerhalb der antifeministischen Rechten ist „Gender“ zu einem vielfach einsetzbaren Containerbegriff geworden, in den das meiste hineininterpretiert werden kann, das abgelehnt wird: Kulturmarxismus, links-grüne Ideologie, Gleichmacherei, geschlechtersensible Pädagogik, Frauenförderung in männerdominierten Berufen, Infragestellung von heterosexueller Ehe und Familie sowie Zweigeschlechtlichkeit. Dahinter steht eine bewusste Strategie der Fehlbesetzung eines wissenschaftlichen Begriffs: gender als das soziale Geschlecht im Gegensatz zu sex, dem biologischen Geschlecht. Im antifeministischen Sprachgebrauch wird dieser eigentlich völlig neutrale Begriff oft mit Komposita benutzt, die ihn mit negativen und pathologischen Konnotationen versehen: Gender-Gaga (Titel eines AfD-Antrags in der Bürgerschaft, DRS 21/4342), Genderismus, Gender-Wahnsinn.
In diesem Umfeld, wenn auch wenig originell, bewegte sich der AfD-Antrag im Januar 2018 (DRS 21/11846), im Schriftverkehr der Bürgerschaft von gendergerechter Sprache zum generischen Maskulinum zurückzukehren. Die entsprechenden sprachkonservativen Argumente werden regelmäßig in den Feuilletons von Süddeutsche, FAZ etc. durchgekaut.
Wie das konservative bis extrem rechte Weltbild insgesamt, so baut auch die AfD hier auf einer Gesellschaftsidee auf, in der Männer und Frauen (sonst nichts) einander komplementär ergänzende Eigenschaften und damit auch Arbeitsbereiche haben. Gleichberechtigung sei bereits vorhanden, da Chancengleichheit im Grundgesetz festgeschrieben sei. Diese Leugnung struktureller Unterdrückungsverhältnisse bei gleichzeitiger Überhöhung der rechtlichen Voraussetzungen für Gleichbehandlung bedingt alle weiteren Argumentationen: gegen die Vermischung und Verunsicherung der Geschlechterordnung, gegen „andere Kulturen“, vor allem „den“ Islam, in denen Gleichberechtigung leider noch nicht so weit sei wie „bei uns“.