Verdachtsfälle: Krzysztof Walczak und Marco Schulz

Gastbeitrag von Stefan Romey (GEW Hamburg)

Die AfD Hamburg hat ihre Kandidat*innen zur Bürgerschaftswahl 2020 gewählt. Auf den aussichtsreichen Plätzen 4 und 7 sind die vorherigen Landesvorsitzenden der Jungen Alternative (JA), Krzysztof Walczak und Marco Schulz, benannt. Die JA wurde im Januar 2019 vom Verfassungsschutz zum „Verdachtsfall“ erhoben, seit Dezember 2019 werden ihre Mitglieder in den offiziellen Statistiken als Rechtsextreme geführt. Die Einstufung als Verdachtsfall ermöglicht es dem Verfassungsschutz, nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, um Informationen über rechtsextremistische Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten.

Walczak ist seit 2015 im Landesvorstand Hamburg der AfD, seit Januar 2020 stellvertretender Vorsitzender, zudem wird er auf der Website seiner Partei fälschlicherweise immer noch als stellvertretender Bundesvorsitzender und Hamburger Landesvorsitzender der JA geführt, obwohl auf der Facebook-Seite der JA Hamburg Tomasz Froelich, Assistent von AfD-Bundessprecher Meuthen und Redaktionsmitglied bei der bundesweiten Mitgliederzeitschrift der JA „Patria“, als neuer Landesvorsitzender erscheint.

Aussichtsreiche Listenplätze für die ehemaligen JA-ler

Für den AfD-Landesvorsitzenden Dirk Nockemann gehören Walczak und Schulz zu einer „thematisch breit aufgestellten Mannschaft“ einer kommenden Bürgerschaftsfraktion. Was darunter verstanden wird, zeigen die letzten „Dialog“-Veranstaltungen der Hamburger AfD-Fraktion an: Araber-Clans gegen Deutschland: Kampf der Kulturen. – „Wir sind das Volk!“ – Werden wir als Deutsche zur Minderheit? – Auf dem Weg in die Ökodiktatur? So verwundert es nicht, dass der Hamburger AfD-Wahlkampf anknüpfend an denjenigen der AfD in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ausgerichtet werden soll. Walczak hetzt bereits entsprechend im Internet:

  • gegen die Seenotrettung von Flüchtlingen: Außenminister Maaß und das Oberhaupt der Evangelischen Kirche Deutschlands Bedford-Strohm decken die kriminelle Gewalt der linksextremistischen Schlepperin und Invasorin #CarolaRackete...“,
  • gegen die Repräsentanten der parlamentarischen Demokratie, wie der Vizepräsidentin des deutschen Bundestages, Claudia Roth: Eine Rechtsbrecherin wie Claudia Roth gehört mit Schimpf und Schande abgesetzt!“
  • gegen die öffentlich-rechtlichen Medien: „Erbärmlicher Propaganda-Rundfunk.“

    Walczak fordert die Verschärfung des Abtreibungsrecht nach polnischem Vorbild und sucht Unterstützung im reaktionären, klerikalen Kreisen

Walczak hatte sich schon früh für Björn Höcke eingesetzt, als gegen diesen nach Gründung des sogenannten Flügels (ebenfalls vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingeschätzt) ein Parteiordnungsverfahren angestrengt worden war. Jetzt behauptet er – wie auch Marco Schulz – sie hätten doch immer einen „klugen und disziplinierten Kurs“ gefahren. „Ich für meinen Teil möchte mich nun nicht länger für Verfehlungen, die außerhalb meines Landesverbandes in der Verantwortung liegen, rechtfertigen müssen“, so Schulz. Das Verständnis darüber geht zwischen ihnen und dem Verfassungsschutz offensichtlich weit auseinander. Die „Argumente, die der Verfassungsschutz gegen die JA ins Feld führt, (sind) absurd und unhaltbar,“ so Walczak in einer Presseerklärung vom 8.2.2019.

Taktischer Austritt aus der eigenen Organisation JA

Walczak und Schulz gehen nicht darauf ein, ob es eine Übereinstimmung oder eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen wie denjenigen der sogenannten Identitären Bewegung (IB) gibt. Obwohl also angeblich alles mit der JA und ihnen persönlich in Ordnung sei, erklärten die beiden nach Rücksprache mit dem Hamburger Parteivorsitzenden Dirk Nockemann und dem Hamburger Fraktionsvorsitzenden Alexander Wolf ihren Austritt aus der JA, ihrer eigenen Organisation (!), nachdem sie dort keine Mehrheit mehr erhielten. „Beide (Nockemann und Wolf, A.d.V.) haben den Hamburger JA-Landesvorstand unter großem persönlichem Einsatz bei dem Versuch unterstützt, einen sauberen Schnitt hinzubekommen.“

Dieser „saubere Schnitt“ ist eher taktischer Natur. Es geht der AfD darum, sich in Hamburg nach dem Rücktritt ihres ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse als „Rechtsstaatspartei“ darzustellen. Hierzu gehört auch das Verhalten von Marco Schulz, sich mit eindeutigen Äußerungen bedeckt zu halten und sich rechtschaffend zu geben. Er hat etwas zu verlieren. Als Offizier der Bundeswehr steht er unter besonderer Beobachtung. Sein Parteifreund Walczak warnt ihn: „Unsere Mitgliederstruktur in Hamburg war schon immer von Beamten, Soldaten und Angestellten geprägt, die aufgrund der bundesweiten Erhebung der Jungen Alternative zum Verdachtsfall um ihre berufliche Existenz fürchten. Eine attraktive Jugendarbeit, welche junge Bürger aus der Mitte der Gesellschaft anspricht […], ist unter diesen Voraussetzungen in einer westdeutschen Großstadt wie Hamburg leider nicht mehr möglich.“

Bezirksversammlung Wandsbek: Schulz scheitert mit Kostümierung als Gemäßigter

Es wirkt wie ein Kostümwechsel, wenn Schulz jetzt zu seinen politischen Schwerpunkten in der Wandsbeker Bezirksversammlung, wo er erster stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD ist, solche Themenschwerpunkte wie „Bürokratieabbau“ und die „Suche nach Bauland statt Nachverdichtungsmaßnahmen“ benennt. Das will ihm niemand glauben. Der ehemalige Vorsitzende der JA Hamburg wurde von der AfD Wandsbek als Vorsitzender des Regionalausschusses Kerngebiet Wandsbek nominiert (Das Vorschlagsrecht steht der AfD nach einer interfraktionellen Absprache im Ältestenrat der Bezirksversammlung zu). Üblicherweise ist die Wahl im Ausschuss eine reine Formalie. „Eine würdige, neutrale und überparteiliche Sitzungsleitung traute der Ausschuss dem Kandidaten offenkundig nicht zu. Bei der Wahl zum Ausschussvorsitzenden vermochte er letztendlich nur sich selbst zu überzeugen, mit nur einer einzigen Ja-Stimme – seiner eigenen – fiel er deutlich durch“, so der „Berner Bote“ in seiner Ausgabe vom 5.9.2019. Eine richtige demokratische Entscheidung.

*Titelfoto/Screenshot: Krzysztof Walczak und Flügel-Frontmann Markus Frohnmaier, damals beide noch in der JA Spitze