Der Landesparteitag der Hamburger AfD am letzten Wochenende begann mit einem Paukenschlag: Machtpolitiker Dirk Nockemann brach kurzerhand die öffentlich bekannt gegebene Absprache mit seinem Konkurrenten Alexander Wolf und ließ sich zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl küren. Der Vorgang zeigt, dass der Kampf zwischen den beiden Fraktionsvorsitzenden nicht beendet ist. Und auch sonst ist die Partei nicht gut aufgestellt.
Burgfrieden gebrochen
Schon bei dem Parteitag im November 2017, bei dem ein neuer Parteivorsitzender gewählt wurde, gab es Zoff. Aus Parteikreisen tauchte kurz zuvor ein bis dahin unbekanntes Liederbuch des völkischen Burschenschafters Wolf auf. Es enthielt verschiedene Lieder aus der Zeit des Nationalsozialismus, darunter die in Deutschland verbotene Hymne der Hitlerjugend. Wolf traf dieser Skandal vollkommen unvorbereitet. Bei der Abstimmung verlor er gegen Konkurrenten Nockemann mit 54 zu 74 Stimmen. Aber diesmal wollte die Partei eigentlich Geschlossenheit demonstrieren und die beiden einigten sich darauf, als Doppel in den Wahlkampf zu gehen. Die Münze entschied, dass Wolf den ersten Platz bekommen sollte, da das Wahlrecht eine Doppelspitze nicht zulässt. Noch vier Tage vor dem Parteitag berichteten die Medien, die AfD wolle geschlossen auftreten, die Kandidaten sich nicht gegenseitig beschädigen. Die Basis war mit diesem Deal allerdings nicht einverstanden und protestierte mit Zwischenrufen lautstark gegen die Antrittsrede von Alexander Wolf. Machtpolitiker Nockemann sah die Gunst der Stunde, brach das Abkommen und ließ sich mit den Stimmen seiner Anhänger*innen kurzerhand auf Listenplatz eins wählen. Zurück blieb ein sichtlich düpierter Wolf, der mit 36 zu 78 Stimmen noch deutlicher als 2017 verlor. In einem Interview des NDR fehlten ihm zeitweise die Worte, er musste aber zugestehen: „Nockemann ist ein Profi.“

Auch sonst ist die AfD mit ihrer Landesliste nicht gut aufgestellt, denn Nockemann ist in der Tat einer der wenigen Kandidierenden, der professionelle Erfahrung aus Parlament und Partei mitbringt. Von den ursprünglich acht Abgeordneten, mit denen die AfD 2015 erstmals in die Bürgerschaft einzog, blieben gerade einmal drei übrig, die auch für 2020 kandidieren. Der Rassist Ludwig Flocken trat schon 2016 aus der Fraktion aus. Er wurde 2018 aus der Partei ausgeschlossen. Der sich bürgerlich-konservativ gebende Jörn Kruse trat dann 2018 wegen des Rechtsrucks und dem Schulterschluss zwischen AfD und Neonazis aus der Partei aus. Und drei Abgeordnete, die zumindest einige Erfahrung in der Parlamentsarbeit in der jetzigen Legislaturperiode sammeln konnten, treten nicht wieder an. Kontinuität sieht anders aus.
Kandidat*innenliste: Kaum Erfahrung
Unter den ersten zehn Listenplätzen der neuen Liste befinden sich außer Nockemann, Wolf und dem farblosen Detlef Ehlebracht (Platz fünf) nun fast ausschließlich politische Newcomer, die höchsten seit ein paar Monaten als neue Abgeordnete in den Bezirksversammlungen saßen. Krzysztof Walczak (Platz 4) sammelte zwar als Vorsitzender der Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ (JA) etwas politische Erfahrung. Die Hamburger AfD trennte sich allerdings im März dieses Jahres von der JA wegen extrem rechter Tendenzen und geheimdienstlichen Beobachtung des Bundesverbandes. Entgegen anderer Ankündigung haben es Walczak und Mitstreiter bis heute nicht geschafft, einen neuen Jugendverband zu präsentieren. Stattdessen findet man im Netz nur die Seite der JA-Hamburg, der letzte Eintrag ist vom November letzten Jahres. Kein Ausweis für erfolgreiche Jugendarbeit.
Fazit: Hetze statt Kompetenz
Insgesamt fehlen auf der Landesliste Personen, die in Hamburg in irgendeiner Weise bekannt sind, sieht man von Wolf und Nockemann ab. Dass unter den 20 Kandidat*innen gerade mal drei Frauen sind, dürfte allerdings schon zum politischen Profil einer Partei gehören, die Quoten und Parität grundsätzlich ablehnt. Für Alexander Wolf firmiert Gleichberechtigung unter „Gender-Gaga“ und Spitzenkandidat Nockemann findet es aktuell „gut so“, wenn Politikerinnen straffrei mit Vergewaltigungsphantasien bedroht werden dürfen.
Die Flügelkämpfe in der AfD Hamburg scheinen einen tiefen Riss in der Partei hinterlassen zu haben, der aber eher personeller als inhaltlicher Art ist. Kein Vertrauen in die bisherigen Abgeordneten, kaum Frauen, keine bekennenden Christ*innen mehr in der Fraktion, kaum Kontinuität in der parlamentarischen Arbeit – vermutlich wird die AfD in bewährter Art versuchen, den Wahlkampf nicht mit Themen und Sachkompetenz, sondern mit rassistischer Hetze und Diffamierung politischer Gegner*innen zu bestreiten. Nockemann fing schonmal zutiefst sachlich an, das zentrale Problem beim Thema Klima anzugehen: Greta Thunberg sei ein „Gör“, das er nicht mehr sehen könne. Na dann.