Start Kommentar Wenn Braun nicht schweigt. Nach Bundesparteitag rückt AfD weiter nach rechts

Wenn Braun nicht schweigt. Nach Bundesparteitag rückt AfD weiter nach rechts

Die AfD rückt weiter nach rechts. Mal wieder. Der politische Rechtsdrall begleitet die AfD von Beginn an, so dass mensch sich fragt: Gibt es Rechtsaußen eigentlich noch Platz zum Nachrücken? Ja, gibt es. Nun, nach dem Bundesparteitag in Braunschweig, muss jeder/m Kommentator*in klar sein: Mit der AfD sitzt eine extrem rechte autoritäre Partei in den Parlamenten. Eine Partei, die sich über die Jahre hinweg konstant rechtsaußen radikalisiert hat. Die AfD umgarnt nicht nur den Faschisten Björn Höcke in ihrer Mitte, sie straft auch alle öffentlich auftretenden Kritiker*innen des völkisch-nationalistischen Flügels mit Abwahl ab. Der völkische Flügel hat nicht nur maßgeblichen Einfluss auf die Parteilinie, sondern ist nun auch mit eigenen Vertreter*innen in allen wichtigen Parteigremien repräsentiert:

An der Spitze steht der sich in der Öffentlichkeit gemäßigt gebende Jörg Meuthen, der nach den Ostwahlen genug Flügelnähe bewiesen hatte, um wiedergewählt zu werden. Mit Tino Chrupalla ist nach viel Hinterzimmerdiplomatie ein bis dato relativ unbekannter Kompromiss-Co-Vorsitzender gewählt worden, der vor allem einen anderen noch extremeren Kandidaten verhindern sollte: Gottfried Curio.

Als stellvertretende Bundessprecher*innen sind die christlich-fundamentalistische Politikerin Beatrix von Storch und die Neoliberale Alice Weidel gewählt worden. Beide fallen nicht oder nicht mehr durch Flügel-Kritik auf. Letztere hatte im Sommer eine Art Nichtangriffspakt mit Höcke geschlossen. Als Dritter im Bunde kommt der Höcke-Vertraute Stephan Brandner hinzu, der gerade aufgrund seiner rassistischen und antisemitischen Hetze als Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag abgewählt wurde. Auch im übrigen Bundesvorstand zeigt sich eine weitere Rechtsverschiebung. Mit Andreas Kalbitz und Stephan Protschka sind hier nun direkte Flügelvertreter in den Vorstand gerückt. Auch die Wahl des Beisitzers Joachim Paul spricht Bände, der AfD-Politiker war erst jüngst unter Druck geraten, weil öffentlich wurde, dass er früher für eine NPD-nahe Zeitung geschrieben hatte.

Wie weit nach rechts kann eine Partei noch rücken?

Für Hamburg interessant ist die Wahl von Alexander Wolf in den Bundesvorstand. Er ist Vertreter einer Linie, die man mit „gemäßigte Zunge, stramm-rechter Geist“ bezeichnen könnte. Auf die drohende Gefahr hin, dass seine Partei vom Verfassungsschutz überwacht werden könnte, gab er für Hamburg eine Strategie vor, die mittlerweile auch bundesweit Parteilinie sein dürfte. Die allzu rechten Player und die vom Verfassungsschutz beobachteten Agitateure, wie zum Beispiel den Jugendverband Junge Alternative (JA), solle man aus der ersten Reihe nehmen. In der Öffentlichkeit sind alle Parteivertreter*innen angehalten, auf eine Sprache zu achten, die nicht rechtsextrem belastetet ist. Inhaltlich bleibe die AfD – so Wolfs Beschwörung – „bei klarer Kante.“

Um zu verstehen, wie strategisch die AfD Hamburg die Frage „Wie weit rechtsaußen positionieren wir uns öffentlich?“ angeht, lohnt sich ein Blick auf eine Videobotschaft, die die Hamburger Führungsspitze Dirk Nockemann und Alexander Wolf verfasst hatten. Diese wurde bereits im Januar 2019 veröffentlicht, zu dem Zeitpunkt, als der Verfassungsschutzes entschied, die AfD als Prüffall einzustufen. (Hier ausnahmsweise ein Link zu einer AfD-Quelle, für alle, die sich selbst ein Urteil bilden möchten.)

Der Tenor der Videobotschaft ist altbekannt: Die AfD sei ein Opfer, gegen die Partei werde eine Kampagne geführt, weil diese für die Altparteien zu bedrohlich werde, der VS inszeniere sich als politisches Organ, und-so-weiter-und-so-fort. Gleichzeitig spielen sowohl Nockemann als auch Wolf die VS-Beobachtung runter, um die vielen Beamten und Angestellte des öffentlichen Dienstes innerhalb der AfD zu beruhigen. Der Prüffall sei eigentlich „ein Nichtereignis“, so Wolf.

Und Nockemann erklärte in besänftigendem Ton: „Wir von der AfD sind seriöse Menschen. Auch wenn es in der Vergangenheit vereinzelt Äußerungen von AfD-Mitgliedern gegeben hat, die zuweilen jenseits des verfassungsrechtlich vertretbaren waren, kann das nicht dazu führen, dass über 30.000 Mitglieder diskreditiert werden und eine Partei so um ihre politischen Chancen gebracht wird.“ Viel Mimimi nach außen und viel Beruhigungspillen nach innen also, wenn der Druck steigt.

Der strammrechte Alexander Wolf wird in den Bundesvorstand gewählt

Interessant die damalige Argumentation vom neuen Beisitzer des Bundesvorstands der AfD Alexander Wolf: „Einigen Vertretern der JA, wie einigen Vertretern des Flügels ist der Vorwurf zu machen, dass sie mit teils unglücklichen, teils unsäglichen Formulierungen und Aussagen der AfD geschadet haben. Schaden, indem sie dem Verfassungsschutz auf dem Silbertablett Argumente liefern, die dieser mit Handkuss nimmt, um die AfD insgesamt als politischen Konkurrenten für die Altparteien aus dem Spiel zu nehmen.“ Dann schwört Wolf die Parteivertreter auf Linie ein: „Hier gilt es anzusetzen und nochmals daran zu erinnern, keinerlei Vergleiche mit dem Dritten Reich, keinerlei Pauschalurteile“. Dabei geht es Wolf an keiner Stelle darum, bestimmte rassistische, revanchistische Positionen zu bekämpfen, sondern er zielt lediglich auf eine sprachliche Anpassung aus strategischen Überlegungen heraus. „Eins ist richtig, liebe Freunde, das hat mit Weichspülen nichts zu tun. Wie die Reden von Gottfried Curio im Bundestag z.B. zeigen, kann man mit den richtigen Worten alles ausdrücken, wofür wir stehen: markant, aber ohne abzudriften“.

Wolf als Protagonist der Linie „Extrem rechts denken, gemäßigt reden“

Interessant ist Wolfs anerkennende Verweis auf den frei drehenden Rechtsaußen Gottfried Curio. Beim Bundesparteitag verlor Curio mit 41 Prozent die Stichwahl zum Parteivorsitzenden gegen Stephan Chrupalla. Der Einzelgänger Curio, dessen Youtube-Reden eine große Fangemeinde in der AfD-Wähler*innenschaft finden, ist wohl ein paar mal zu doll abgedriftet, um als gemäßigter Vorzeigevorsitzender wählbar zu sein. Hingegen ist der eher unscheinbare Malermeister Chrupalla nicht nur als Ostdeutscher der passendere Kandidat für die Doppelspitze, auch seine scheinbar harmlose Außenperformance passt besser in aktuelle Tarnstrategie der AfD. Bei genauem Hinsehen wird schnell klar, dass jemand, der seine Parteimitglieder auffordert, ihm „Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten“ zu schicken, alles andere als „gemäßigt“ ist.

Um so bemerkenswerter, dass dieser Kandidat bereits bei einem der ersten großen TV-Interviews mit dem Journalisten Theo Koll die Maske fallen lassen muss. So gerät Chrupalla in Bedrängnis, weil er kein Problem hat mit dem nationalsozialistisch geprägten, von der extremen Rechten lancierten Begriff der „Umvolkung“. Schlimmer noch wiegt jedoch ein Einspieler einer Veranstaltung, bei der ein Teilnehmender gegenüber Chrupalla verurteile nationalsozialistische Kriegsverbrecher als „Jungs, die am Galgen in Nürnberg geendet sind“ bezeichnet und dieser der Aussage nicht widerspricht.

Dieses hervorragend geführte Interview mit dem neuen AfD-Parteivorsitzenden zeigt: Gute Recherche und konsequentes Nachfragen lohnt sich. Bei aller äußerlichen Weichspülung versagt dem Wolf im Schafspelz – bei ausreichender Vehemenz – die Kreide. Dies gilt nicht nur für den Umgang mit der AfD auf Bundesebene, sondern auch für die anstehende Bürgerschaftswahl in Hamburg.