AfD will Hass und Hetze straffrei lassen

Bundesweit hält die Diskussion um die Verbreitung von rechter Hetze und rassistischem Hass in den sozialen Netzwerken an. Journalist*innen werden eingeschüchtert, Kommunalpolitiker*innen treten zurück und oftmals ist die Hetze der Biedermänner- und Frauen sogar Ausgangspunkt für Gewalttaten bis hin zu Anschlägen oder gar Mord. Der Hamburger Senat will die Ermittlungsbehörden nun bei ihren Ermittlungen stärken und ihnen die strafrechtliche Verfolgung von Autor*innen solcher Beleidigungen und Aufforderungen zu Gewalttaten erleichtern. Ein Entschließungsantrag des Senats für den Bundesrat sieht vor, dass die Anbieter sozialer Netzwerke Auskünfte erteilen müssen und nicht mehr auf ihren Sitz im Ausland verweisen können, sondern dass das sog. Marktort-Prinzip eingeführt wird.

Der Vorsitzende und medienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion Alexander Wolf, sieht jedoch aktuell dadurch das Wahlvolk der AfD und seine Partei gefährdet und lehnt eine solche Verschärfung ebenso wie das schon bestehende Netzwerkdurchsuchungsgesetz entschieden ab. Wolf befürchtet in seiner Mitteilung vom 14. Januar 2020, dass nachhaltige Ermittlungen „unter dem fadenscheiniger Deckmantel eines ‚Kampfes gegen Hasskommentare’“ in Wirklichkeit ein Kampf gegen faschistische Hetze seien. Hier ist Wolf ausnahmsweise einmal zuzustimmen, denn das Gros der Hetze in den sozialen Netzwerken stammt tatsächlich von Neonazis, Pegida-Anhänger*innen und AfD-Fans. Das BKA hat 2017 insgesamt 2.270 straf-relevante Hasspostings registriert, wovon mit 74 Prozent der überwiegende Teil politisch rechts motiviert war.

Die Hetze kommt von rechts

Auch für Hamburg legte die Polizei 2019 erstmals Zahlen vor. Demnach hatten von 77 Ermittlungsverfahren in der zweiten Jahreshälfte 2018, 44 einen rassistischen, 24 einen antisemitischen, vier einen islamfeindlichen und drei einen sexistischen Hintergrund und nur zwei richteten sich gegen Christ*innen. Von den fast 100 % rechten Angriffen fanden knapp die Hälfte im Internet statt. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen, da Delikte wie Volksverhetzung, Beleidigung oder Verleumdung momentan noch Antragsdelikte sind, die oftmals nicht zur Anzeige gebracht werden. Sei es, weil die Hetzer*innen anonym agierten, oder weil die Betroffenen wenig Vertrauen in die bisher weitgehend zahnlose Justiz hatten.
Die nun bundesweit diskutierten Ausweitungen der Ermittlungsbefugnisse sollen es den Behörden ermöglichen, auch die Klarnamen, Telefonnummern und/oder IP-Adressen von anonymen Hetzer*innen von Facebook, Twitter und Co zu bekommen.

Die zweite große Änderung für soziale Netzwerke bestände darin, dass das Justizministerium eine Anzeigepflicht für bestimmte Äußerungsdelikte festschreiben will. Unternehmen sind dann verpflichtet, bestimmte Hasspostings ihrer Nutzer*innen nicht nur wie bisher zu löschen, sondern sie auch an das Bundeskriminalamt (BKA) zu melden. Hierzu soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verschärft werden. Auf der Liste dieser Delikte stehen unter anderem Volksverhetzung und das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole oder das Billigen von Straftaten sowie Morddrohungen.

AfD lebt von Fake-News und virtuellem Hass

Auch wenn diese Verschärfungen unter datenschutzrechtlichen Aspekten sicherlich diskussionswürdig sind, so ist dennoch klar, dass die Sanktionierung von Hate-Speech in der absoluten Mehrheit die politische Rechte treffen würde. Kein Wunder, dass Wolf hier Gefahren für seine Partei sieht. Natürlich distanziert er sich in der Pressemitteilung der Fraktion von „Hasskommentaren jeglicher Natur“. Er weiß als Jurist genau, dass viele Postings in den Kommentarspalten rechter Blogs schon heute als Straftaten wie Volksverhetzung, Beleidigung, Bedrohung oder Aufforderung zu Gewalt und Mord geahndet werden könnten, wenn die Urheber*innen bekannt wären. Wolf möchte den anonymen Hetzer*innen aber weiterhin Schutz bieten.

Wie keine andere Partei lebt die AfD in einem virtuellen Hass-Milieu von Fakenews, Wutbürger*innen und Internettrollen. Es würden nicht nur in den Echokammern der AfD deutlich stiller werden, sondern wahrscheinlich auch so manches AfD-Mitglied, welches bisher anonym und unerkannt im Netz seinen widerlichen und brutalen Phantasien nachgehen konnte, Gefahr laufen entdeckt zu werden. Im aktuellen Wahlprogramm, Abschnitt „Gegen politische Korrektheit – für Meinungsfreiheit“ schreibt die Hamburger AfD „einzige Grenze der Meinungsfreiheit ist und bleibt für uns das Strafrecht.“ Es dürfte spannend werden, ob die selbsternannte Law-and-order-Partei das Strafrecht auch dann noch verteidigt, wenn es die Verfolgung von Nazipropaganda erleichtert.

Wir haben als Hamburger Bündnis gegen Rechts immer wieder darauf hingewiesen, dass die Hamburger AfD mittels ihrer selektiven und aufpeitschenden Beiträge in sozialen Netzwerken gezielt ihre Klientel aufstachelt in noch schärferer Form zu hetzen. Dies endet regelmäßig in Gewalt-, Mord-, und Vergewaltigungsphantasien in den sozialen Netzwerken der AfD. Wird die Partei dann dabei ertappt, so behauptet sie, man könne die eigenen sozialen Netzwerke, die man so dringend zur Mobilisierung von Internet-Kampagnen und im Wahlkampf braucht, nicht immer zeitgerecht kontrollieren, weil das Personal zu knapp sei. Oder man unterstellt gar, dass entsprechende faschistische Beiträge von Linken unter falscher Flagge verfasst seien, um die AfD gezielt zu diskreditieren.

AfD gibt Grünen-Politikerin zum Abschuss frei

Ein Vorwurf der absurd ist, nimmt man das Beispiel der ehemaligen Grünen-Abgeordneten Stefanie von Berg. Diese hatte in einem Redebeitrag in der Bürgerschaft im September 2015 ihre Visionen für eine liberale, multikulturelle Gesellschaft der Zukunft geschildert. Für die Rassist*innen der AfD, damals noch unter Führerschaft des als gemäßigt geltenden Jörn Kruse, war dies offensichtlich zu viel. Sie stellten Auszüge der Rede auf ihre Fraktions-Facebook-Seite und gaben die Abgeordnete sprichwörtlich zum Abschuss frei. Es hagelte Gewalt-, Mord-, und Vergewaltigungsphantasien, die Hetzjagd fand bundesweit in den Medien Beachtung.

Die Hamburger AfD distanzierte sich natürlich von den strafrechtlich relevanten Hass-Kommentaren, nicht jedoch von der Anprangerung an sich und sie entschuldigte sich auch nicht bei der Abgeordneten. Man könnte meinen, der Vorgang sei der Partei zumindest peinlich – doch keineswegs. Die Prangerwirkung scheint so gut die niedersten Instinkte des eigenen Milieus zu mobilisieren, dass die Fraktion um Nockemann und Wolf bis heute, also 4,5 Jahre später, das Video unter dem Titel „Grünen-Politikerin lässt die Maske fallen“ an vorderster Stelle auf ihrer Facebook-Startseite präsentiert, noch vor den Jubel-Videos über eigene Veranstaltungen mit AfD-Politiker*innen.
Selbst in ihrem neuen Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl zitiert die Partei aus der Von-Berg-Rede, um weiter die Emotionen zu schüren. Dies zeigt, dass die Partei weniger mit eigenen politischen Inhalten und Persönlichkeiten werben will, als vielmehr vom Hass auf Dritte profitieren möchte. Seien dies nun Muslime, Zugewanderte oder eben Politiker*innen anderer Parteien. Die Präsentation von Sündenböcken funktionierte in Deutschland leider immer schon besonders gut.