Bernd Baumann kandidiert zur Bundestagswahl auf Listenplatz 1 für die Hamburger AfD. Er war schon die letzte Legislaturperiode Mitglied des Bundestages und hat dort als erster parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion auch über Hamburg hinaus Bedeutung für die Partei. In Hamburg trat Baumann 2013 bei Gründung der AfD bei, 2015 kam er in den Landesvorstand und bis 2017 war er Landesvorsitzender. Der Diplom-Ökonom gehörte nicht dem offiziell aufgelösten Flügel an und gilt aufgrund seines honorigen Habitus als rechtskonservativ, erweist sich aber beim näheren Hinsehen als geschickter Propagandist, der es auch weiß, wie seine Anhänger*innenschaft bis hin zu Mordaufrufen zu motivieren ist.
Baumann in Hamburg – wenig Distanz zu Höcke
Mit der Etablierung der neofaschistischen Teilstruktur Der Flügel um Björn Höcke 2015 begannen auch in Hamburg die rechteren Kräfte der Partei Morgenluft zu wittern und betrieben die Demontage des als konservativ geltenden Prof. Jörn Kruse (2018 ausgetreten). Nach einem Rechtsruck des Landesverbandes trat Kruse 2015 nicht mehr als Parteichef zur Wahl an. Baumann hielt beim damaligen Parteitag eine rassistisch konnotierte Rede, gewann gegen den konservativen Kay Gottschalk die Mehrheit und erklärte als neugekürter Landeschef, „Ich spüre beide Flügel in mir und das ist das, was die AfD braucht.“ 2016 wurde Kruse weiter entmachtet und ihm wurde Baumann als Fraktionsvorsitzender zur Seite gestellt. Für die Hamburger AfD und insbesondere die Parteirechten war der Abgang von Baumann 2017 nach Berlin ein großer Verlust.
Noch vor seiner Wahl in den Bundestag soll er der „Goslarer Runde“ angehört haben, nach Angaben des Nachrichtenmagazins Focus ein „Netzwerk ultrarechter männlicher AfD-Funktionäre, das dazu dient, informelle Personalabsprachen und Richtungsentscheidungen zu treffen“. Dieses Netzwerk soll laut Focus im August 2017 entschieden haben, sich für einen AfD-Parteivorsitz des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke einzusetzen.
Hass und Hetze im Wahlkampf 2017

Baumann ist ein eloquenter Redner und als ehemaliger Verlagsmitarbeiter sowie zeitweiliger Assistent von Verleger Herbert Burda ein geschulter rechter Propagandist. Er duldete in der Vergangenheit auf seiner Facebook-Seite diverse rassistische, gewaltverherrlichende Kommentare bis hin zum Mordaufrufen und scheute es nicht, Fakenews zu verbreiten. Im Bundestagswahlkampf 2017 schürte der PR-Experte bewusst Emotionen. Schon die Konzeption seiner Facebook-Seite war dem geschuldet. Hier wurden statt regelmäßiger Berichte nur einige, teils stark veraltete Beiträge und Videos präsentiert, welche jedoch hohe Klickzahlen und besonders aggressive Kommentare provozierten. So z. B. weit oben ein Beitrag gegen die grüne Bürgerschaftsbgeordnete Stefanie von Berg, welcher zu massiven Vergewaltigungs- und Mordaufrufen führte und sogar Gegenstand von Gerichtsurteilen war. Bezüglich dieser Kampagne gegen von Berg sagte Baumann laut Deutschlandfunk: „Ehrlich gesagt: das bereue ich nicht!“. Im Zuge der G20-Berichterstattung im Jahr 2017 forderten Baumanns Fußtruppen auf dessen Facebook-Seite die Abschaffung des Rechtsstaats, des Minderheitenschutzes und eine Todesstrafe mit Urteilen durch einen „Volksgerichtshof“ verkündet und vollstreckt. Die gemäßigteren Hassprediger wollen es noch bei verstümmelnden Körperstrafen, wie in der Scharia üblich, belassen. „Das Pack kampfunfähig geschossen“ oder ein „Schuß ins Bein“ seien probate Mittel. Dies ging vielen AfD-Freunden allerdings nicht weit genug. Von „Abknallen“, „Erschießen dieses Dreckspacks“, „Kugel in den Kopf“ oder „mal mit der Uzi reinhalten“ (eine israelische Maschinenpistole) reichen die Empfehlungen. Manfred vom E. konnte sich allerdings etwas gewählter ausdrücken, er wollte die „linken Einzellerkreaturen“ dort aufhängen, „wo normalerweise Vogelhäuschen hängen.“ Viele dieser von Baumann im Wahlkampf 2017 provozierten Posts auf seiner Facebook-Seite hat das Hamburger Bündnis gegen Rechts bis heute archiviert. Sie verstießen nicht nur gegen die Richtlinien von Facebook und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, sondern auch gegen diverse Strafgesetze.
Im Bundestag: NS-Vergleiche und Rassismus
Vermutlich aus straf- und medienrechtlichen Gründen pflegt Baumann seit seinem Einzug in den Bundestag und unserer Berichterstattung einen anderen Umgang mit seiner Präsenz in den sozialen Medien. Justiziable Kommentare unter seinen Beiträgen finden sich jetzt nicht mehr, was jedoch nicht bedeutet, dass Baumann selbst sich gemäßigt hätte. Seine Formulierungen sind weiterhin extrem polarisierend, genau entlang des Erlaubten. Schon seine Antrittsrede in Berlin provozierte einen Eklat, weil er seine Partei mit Nazi-Opfern gleichsetzte und dem Bundestag bei der Eröffnung vorwarf, ähnliche Praktiken wie NS-Minister Joseph Goebbels zu pflegen.
Im November 2020 wiederholte Baumann einen unzulässigen NS-Vergleich: Das Infektionsschutz-Gesetz zum Schutze vor der Corona-Pandemie gleiche dem Ermächtigungsgesetz der Nazis von 1933, weil es angeblich die Opposition unterdrücke und das Parlament entmachte. Die Opposition der Nazis wanderte bekanntlich in großen Teilen in die Gefängnisse und KZs, die AfD darf dagegen weiterhin ungestört ihren Geschichtsrevisionismus verbreiten. Energischer Protest auf Baumanns Rede erfolgte deshalb nicht nur von den anderen Parteien, sondern auch von Justizministerin Christine Lambrecht und der Bundeszentrale für politische Bildung.
Am häufigsten setzt Baumann in seinen Bundestagsreden und in den sozialen Medien in AfD-typischer Weise auf die rassistische Karte. Dabei bedient er sich auch gerne „alternativer Fakten“ (Süddeutsche Zeitung). So z. B. als er 2017 im Bundestag behauptete: „Die Sicherheitslage in großen Teilen Syriens hat sich in den vergangenen Monaten substantiell verbessert.“ Mit Berufung auf die International Organisation for Migration (IOM) wären „allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2017 insgesamt 600.000 Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt.“ Deshalb solle die Bundesregierung ein Abkommen mit Diktator Baschar al-Assad schließen, damit nach Deutschland Geflüchtete wieder zurückkehren könnten. Die IOM hatte allerdings von 600.000 Binnenflüchtlingen geschrieben, die erst gar nicht das Land verlassen hatten und außerdem hatte sich laut IOM die Sicherheitslage keineswegs verbessert, denn im selben Zeitraum seien 800.00 Syrer vertrieben worden. Das Fazit des IOM-Berichts lautete, eine Heimkehr sei „nicht unbedingt freiwillig, sicher oder nachhaltig.“
Zynisch und menschenverachtend sind vor allem Baumanns Reden zum Thema Geflüchtete im Mittelmeer. Italien, Malta und der Rest Europas sorgen heute dafür, dass die Menschen möglichst gar nicht den afrikanischen Kontinent verlassen können oder mit illegalen Push-Backs dorthin zurück geschoben werden. In den libyschen Folterknästen werden sie misshandelt und sterben, sie verdursten in der Wüste, im Bombenhagel der Bürgerkriegsländer oder bleiben als stumme Opfer globaler Ungleichheit unsichtbar. Baumann brachte es 2019 fertig, diese Tragödie in Humanismus umzudeuten: „Als in Italien noch die Sozialdemokraten regierten, 2016, starben im Mittelmeer 5.149 Menschen, elendiglich ertrunken, auf das Meer gelockt von kriminellen Schleusern und Menschenhändlern. Jetzt, im ersten Quartal 2019, waren es nur noch 289. Dieser Rückgang ist einzig und allein auf die erfolgreiche Grenzpolitik der neuen Regierung Italiens zurückzuführen.“ Gegen Matteo Salvini soll im September in Palermo ein Prozess wegen dessen brutaler Abwehr von Geflüchteten eröffnet werden. Trotzdem dient er Baumann als Beispiel, denn ihm ist es egal, ob vor Not und Verfolgung Geflüchtete in Libyen oder dem Mittelmeer sterben, Hauptsache gefälligst unbemerkt und außerhalb des europäischen Zuständigkeitsgebiets. Mit Bernd Baumann im Bundestag wird die AfD diese zynische und menschenverachtende Politik gegenüber Geflüchteten und Migrierten vier Jahre fortsetzen wollen.