Diskurs um innere Sicherheit

Gastbeitrag vom Hansaplatz-Bündnis

Kamera am Hansaplatz Quelle: Hansaplatz-Bündnis
Kamera am Hansaplatz
Quelle: Hansaplatz-Bündnis

Mit der AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft findet sich eine Law & Order-Partei in der Tradition der damaligen Schillpartei, deren Mitglieder durch rassistische und sozialchauvinistische Feinbildmarkierungen auf aktuelle Debatten rund um „Sicherheit/Kriminalität“ Einfluss zu nehmen suchen und sie für die eigenen politischen Zwecke missbrauchen. Ihre (und man muss sagen: nicht nur ihre) vermeintlichen Lösungsansätze darauf lauten entsprechend: Technische und monetäre Aufrüstung der Sicherheitsapparate, die Ausweitung polizeilicher Befugnisse, rassistische Kontrollpraxen, die Vertreibung von obdachlosen Menschen aus der Innenstadt. Darin spiegelt sich insgesamt die grundlegende Forderung nach einer autoritären Formierung des gesellschaftlichen Lebens wider. Die Vielzahl von AfD-Anfragen hinsichtlich sicherheitsrelevanter Themen in den letzten Jahren steht dabei in einem himmelschreienden Kontrast zu den strafrechtlichen Verurteilungen in den Reihen von AfD Mandatsträger*innen und Mitarbeiter*innen, wie eine Correctiv Recherche Anfang April diesen Jahres zeigte.

Ein erhellendes Beispiel für die Rolle der AfD als „Scharfmacherin“ mit dem Vorsatz, Stigmatisierung und Ausschluss von Menschengruppen voranzutreiben und machtpolitisch abzusichern, zeigen die aktuellen Entwicklungen rund um den Hansaplatz in St. Georg.

KI-gestützte Videoüberwachung am Hansaplatz
Sicherheit als Instrument für menschenfeindliche Politik

Das Bündnis Hansaplatz hat sich im Sommer 2023, als Reaktion auf das Modellprojekt der durch Künstliche Intelligenz (KI) gestützten Videoüberwachung auf dem Hansaplatz in St. Georg, gegründet. Als öffentlicher Raum sollte der Hansaplatz uneingeschränkt zugänglich sein und Anonymität gewährleisten. Tatsächlich aber werden marginalisierte Bevölkerungsgruppen zur Aufrechterhaltung eines konsumfreundlichen und sicher erscheinenden Ambientes systematisch und repressiv vertrieben. Auch der aktuelle Begriff der öffentlichen Sicherheit impliziert, bestimmte gesellschaftliche Gruppen würden die Innere Sicherheit gefährden. Zum einen bewirkt ein solcher Diskurs, dass soziale Säuberungen auch von der Bevölkerung nicht (mehr) als Problem wahrgenommen werden und zum anderen verschleiert er, dass die Schaffung von „Sicherheit“ zunehmend zum Mittel der Durchsetzung von Interessen Einzelner wird. Somit wird Innere Sicherheit immer wieder instrumentalisiert, um Teile der Bevölkerung zu stigmatisieren und zu kriminalisieren. Auch die AfD hat diesen Diskurs in den vergangenen Jahren maßgeblich mitbestimmt. Wie heuchlerisch das ist, zeigen nicht nur die von ihr betriebene menschenfeindliche Migrations- und Asylpolitik, sondern auch zahlreiche Gewaltdelikte von Mitgliedern der AfD sowie der Versuch, diese zu verschweigen oder zu leugnen, wie etwa der Fall des „Messermanns von der AfD“ (Erstveröffentlichung Hamburger Morgenpost, 24/10/2018, Kopie auf Focus.de). Zum Hintergrund siehe Artikel „Messermann, den die AfD verschweigt“ (Volksverpetzer-Blog, 12/02/2020)

Modellprojekt zu KI-gestützter Videoüberwachung am Hansaplatz

In der Hamburger Innenstadt, insbesondere in St. Georg und am Hauptbahnhof, setzt die Landesregierung unter der SPD im Namen der Inneren Sicherheit schon seit Jahren verschiedene sicherheitspolitische Maßnahmen um. Darunter fallen die Einrichtung eines Gefahrengebiets und einer Waffenverbotszone, erhöhte Polizeipräsenz, zunehmende Videoüberwachung, das „Bettelverbot“ in der Innenstadt sowie neuerdings der Einsatz von privatem Sicherheitspersonal unter der Bezeichnung „Sozialraumläufer*innen“. Zur Vorbeugung von Straftaten wurde die Videoüberwachung am Hansaplatz, die bereits 2019 eingeführt wurde, von Juli bis Oktober 2023 durch Einsatz einer KI erweitert, die „atypische“ oder „verdächtige“ Bewegungsmuster wie liegen, fallen, schlagen und schubsen, erfassen sollte. Die von der KI generierten Hinweise führten insgesamt zu nur einem einzigen Strafverfahren (siehe Anfragen DIE LINKE Drucksachen 22/13988 und 22/14472) und auch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Videoüberwachungsmaßnahmen im Allgemeinen Straftaten nicht vorbeugen, sondern entsprechende Probleme verlagern. Trotzdem wurde das Projekt seitens Innenbehörde und Senat als Erfolg bewertet und weitere Projekte der KI-gestützten Videoüberwachung sind entweder in Planung (Hansaplatz) oder werden geprüft (Hauptbahnhof).

Was hat das Alles mit der AfD zu tun?

Dass sich der öffentliche Sicherheitsdiskurs in den letzten Jahren, auch stark beeinflusst von der AfD und ihrer menschenfeindlichen Politik, immer stärker nach rechts verschiebt, kommt auch der Law & Order-Politik der SPD in Hamburg zugute. Umgekehrt profitiert davon auch die AfD, weil damit Teile ihrer Forderungen und ihrer politischen Schwerpunktsetzung von Bundes- und Landesregierungen übernommen werden. So hat zum Beispiel die Hamburger AfD wiederholt Anfragen zum Thema Kriminalität in St. Georg an den Senat gestellt (z.B. Drucksachen 21/526 und 21/19865). Hier fällt vor allem der Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann, der enge Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen hat, auf. Nicht nur ist er der Urheber diverser Anfragen zum Thema, er sagte außerdem schon im August 2023 im Sommerinterview des NDR, dass die Lösung für das Vorkommen von obdachlosen und drogenkonsumierenden Menschen in St. Georg die Vertreibung der Dealer, ein härteres Durchgreifen der Polizei und die Errichtung eines Sichtschutzes vor dem Drob Inn, einer Beratungseinrichtung für drogenkonsumierende Menschen in St. Georg, sei. Auf diese Weise würden „Normalbürger“, Familien und Tourist*innen mit derartigen Problemen nicht konfrontiert werden. Ein solcher „Sichtschutz“ vor dem Drob Inn wird nun von der Hamburger Regierung errichtet. Um dem Ganzen einen sozialen „Anstrich“ zu verpassen, wurde ein Kunstkollektiv beauftragt, diesen zusammen mit Kindern der Brechtschule zu bemalen. Da Ausgrenzung und Vertreibung, getarnt unter den Deckmänteln von Sicherheits-, Migrations- und Asylpolitik, die Schwerpunktthemen der AfD sind, ist die aktuelle Instrumentalisierung des Sicherheitsbegriffs, mittels derer bestimmte Bevölkerungsgruppen stigmatisiert und kriminalisiert werden, auch in deren Interesse. Per se repressive Mittel wie Massenüberwachung, insbesondere unter Einsatz von KI, würden sich unter Kontrolle der AfD deutlich vergrößern.

Quellen:

Drucksache 21/526: https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/48677/entwicklung-der-kriminalit%C3%A4t-im-umfeld-des-hansaplatzes.pdf

Drucksache 21/19865: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/69717/gewaltkriminalitaet_und_das_soziale_klima_in_st_georg_abfrage_fuer_das_zweite_halbjahr_2019.pdf

Drucksache 22/14472: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/86533/einsatz_von_kuenstlicher_intelligenz_bei_der_ueberwachung_des_hansaplatzes_vi.pdf

Drucksache 22/13988: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/86035/einsatz_von_kuenstlicher_intelligenz_bei_der_ueberwachung_des_hansaplatzes_v.pdf

https://netzpolitik.org/2023/intelligente-videoueberwachung-polizei-hamburg-will-ab-juli-verhalten-automatisch-scannen/

https://www.n-tv.de/politik/Regierung-will-Videoueberwachung-ausweiten-article19386176.html

https://www.heise.de/news/Polizei-will-intelligente-Videoueberwachung-nach-Test-ausbauen-9583872.html

https://taz.de/Wohlfuehlen-am-Hamburger-Hauptbahnhof/!6000895/

https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Neuer-Sichtschutz-fuer-Drob-Inn-am-Hamburger-Hauptbahnhof,drobinn122.html

https://www.ardmediathek.de/video/hamburg-journal-18-00-uhr/sommerinterview-mit-dirk-nockemann-afd/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS9mNmIxMTFhOC02ZDBjLTRmYjEtOTY2Mi1lZWQwNmJmZmZmODg

https://www.focus.de/regional/hamburg/hamburg-infostand-tumult-der-messermann-der-afd_id_9794717.html

https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/machetenfund-afd-hh/

https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/04/05/gewalt-als-alternative-14-verurteilte-afd-andatstraeger-im-amt/