AfD-Pressesprecher warb für rechtsterroristische Propaganda

Die Hamburger AfD behauptet in ihren letzten Pressemitteilungen zu dem antisemitischen und rechtsterroristischen Anschlag in Halle, sie sei in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer und den Verletzten“. Keine andere Fraktion in Hamburg setze sich so für jüdisches Leben ein wie die AfD. Die Partei weist jegliche politische Verantwortung für das Entstehen eines Klimas von Hass und Hetze als Grundlage für rechtsterroristische Taten weit von sich. Als Kontakt ist der Pressesprecher Robert Offermann angegeben. Ein Hohn: denn der hatte vor wenigen Jahren nicht nur die Diskussionswürdigkeit von Holocaustleugnung propagiert, sondern auf seinem Twitter-Account einen Text beworben, der rechten Terror ideologisch rechtfertigt. In dieser Schrift heißt es, zur Stärkung von Nation und Volksgemeinschaft „zielt der Terrorismus darauf ab, die Menschen zur Beteiligung am Kampf zu ermuntern.“

Werbung für eine Ikone des Neonazismus

Anfang Februar 2017 postete Offermann, damals gerade frisch gebackener Pressesprecher der Hamburger AfD, einen Werbe-Tweet des neurechten „Jungeuropa Verlags“ für das Buch „Für eine positive Kritik“ des französischen Autors Dominique Venner. Dies war kein Zufall, auch wenn sich die Zusammenhänge zunächst nur Insidern erklären. Venner war in seinen jungen Jahren selbst Militanter der rechtsterroristischen „Organisation de l´armée secrète“ (OAS). Diese Untergrundarmee war in der Endphase des Algerienkrieges verantwortlich für mehrere Tausend Tote. Venner saß nach der Zerschlagung der OAS durch die französische Regierung in Haft und schrieb dort seine Propagandaschrift, in der er aus dem Scheitern der OAS Schlüsse für zukünftige nationalrevolutionäre Bewegungen und rechtsterroristische Aktionen zog: „Die verschwörerische Aktion und die kalkulierte Anwendung von Gewalt kann jedoch unabdingbar sein, wenn einer Nation keine anderen Mittel verbleiben, um zu ihrem Recht zu kommen. Und in diesem Fall zielt der Terrorismus darauf ab, die Menschen zur Beteiligung am Kampf zu ermuntern. Wer ihn jedoch gegen die Volksgemeinschaft verwendet, der ist zum Scheitern verurteilt.“

Venner wurde zur Ikone der militanten Rechten, seine Schrift dort zum Standardwerk. Der Hamburger Verfassungsschutz widmete Venner 2017 in seinem Bericht einen Absatz: „Die ‚Jungen Nationaldemokraten’ bezeichneten ihn als ‚Rebell und Vorbild für Europas Jugend’. Die rechtsextremistische Kleinpartei ‚Der III. Weg’ widmete Venner auf ihrer Webseite im Oktober 2016 einen ausführlichen, mehrseitigen Artikel.“ Der Inlandsgeheimdienst erwähnte Venner, weil sich auch Burschenschaften positiv auf den ehemaligen Rechtsterroristen beziehen.

Fragwürdige Vergangenheit

Sowohl der Verleger der Propagandaschrift aus dem Jungeuropa Verlag, wie auch Robert Offermann kommen aus derselben völkischen Studentenverbindung, der „Burschenschaft Germania Marburg“. Es ist also kein Zufall, dass der AfD-Pressesprecher ausgerechnet diese nur Insidern bekannte Schrift auf Twitter bewarb. Und es geschah auch nicht aus Unkenntnis der Materie. Einerseits schrieb er 2011 seine Diplomarbeit über die sog. Konservative Revolution, eine präfaschistische, extrem reaktionäre Strömung des deutschen Konservatismus der Weimarer Republik, welche der heutigen Neuen Rechten als Vorlage dient. Vor allem äußerte er aber im Sommer 2017 gegenüber einem Journalisten, dass er „Für eine positive Kritik“ selbstverständlich gelesen habe.

Diese Einladung der neonazistische „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ ging nur an wenige Eingeweihte, darunter Robert Offermann

In jenem Sommer, kurz vor der Bundestagswahl war Offermann schon einmal in den Hamburger Schlagzeilen. Vom Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) gab es Hinweise, dass der AfD-Pressesprecher zuvor Mitglied  in der neonazistischen Organisation „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO) gewesen sei. Es lag eine interne, konspirativ gehaltene Einladung an Offermann zu einem JLO-Treffen vor. Gegenüber dem Hamburger Abendblatt wollte Offermann keine eidesstattliche Erklärung über eine von ihm negierte Mitgliedschaft abgeben. Und gegenüber der taz äußerte Offermann: „Über Mitgliedschaften sehe ich keinen Anlass, mich zu äußern.“ Die AfD hat allerdings einen Unvereinbarkeitsbeschluss bezüglich der JLO und müsste ihren Pressesprecher entlassen, sollten die Vorwürfe zutreffen.

Die „Offenkundigkeit des Holocaust“ in Frage gestellt?

Und letztlich muss im Kontext des antisemitischen Anschlags auf die Hallenser Synagoge mit zwei Toten auch noch auf die Position Offermanns zum Holocaust eingegangen werden. Seine Burschenschaft führte vor einigen Jahren Veranstaltungen unter dem Titel „Marburger Diskurs“ durch. An einem der Referenten entzündete sich in dem Verbindungsportal „Tradition mit Zukunft“ (Tramizu) eine Diskussion um dessen politische Herkunft und Aussagen. Thor von Waldstein war früher Vorsitzender der NPD-Studentenorganisation „Nationaldemokratischer Hochschulverband“ (NHV) und gilt bis heute als Vertreter der Neuen Rechten. Auf Tramizu äußerte ein gemäßigter Verbindungsstudent, dass man sich mit von Waldstein einen Referenten eingeladen habe, welcher den Holocaust als „us-amerikanisches Kulturprodukt“ bezeichnete. Robert Offermann antwortete daraufhin: „Waldstein hat vor über 25 Jahren Stellung zu einem Film bezogen, der den Holocaust zum Thema hatte. Er bezeichnete den Film(!) als (us)- amerikanisches Kulturprodukt … Waldstein bezeichnet sich selbst einen heimatlosen Rechten. Diplomtie  hat etwas in der Politik zu suchen, aber mitnichten im wissenschaftlichen Diskurs. Es muß und darf alles diskutiert werden. Eine Offenkundigkeit darf es nicht geben.“ (Rechtschreibung im Original)

Da im neonazistischen Milieu immer wieder die Position vertreten wird, man müsse über wirklich alle Fragen der Zeitgeschichte diskutieren dürfen, baten wir Prof. Fabian Virchow, Professor an der Fachhochschule Düsseldorf und Leiter des Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus (Forena) um eine Einschätzung. Er schrieb: „Der hier im Zusammenhang mit dem Hinweis auf einen Film zum Holocaust verwendete Begriff der ‚Offenkundigkeit‘ verweist auf die Rechtsprechung in Verfahren gegen Holocaustleugner, bei denen mehrfach unter Verweis auf die ‚Offenkundigkeit des Holocaust‘ revisionistische Beweisanträge nicht zugelassen wurden. Das ist auch ein Mittel der Gerichte, um es Holocaustleugnern schwerer zu machen, die Gerichtsverfahren als Bühne zur Verbreitung ihrer absurden und volksverhetzenden Positionen zu nutzen. Diese Offenkundigkeit wird hier in Frage gestellt. Sicher gibt es auch radikaldemokratische Positionen, die solche Einschränkungen falsch finden; hier wird aber gefordert, dass ‚alles diskutiert werden muss‘. Solche Argumentationsfiguren finden sich immer wieder in der Szene der Holocaustleugner.“

Bewusst zweideutige oder missverständliche Ausdrucksweisen gehören in der Neuen Rechten, gerade beim strafbewehrten Thema Holocaustleugnung, zum Standard. Es kommt eben auf den Kontext des Geäußerten an, wie auch auf die politische Verortung von Sender und Empfänger dieser Nachricht. Dieser Auffassung ist auch Offermann, wenn er auf seinem Twitter-Account als Leitspruch das Morgenstern-Zitat „Eine Wahrheit kann erst wirken, wenn der Empfänger für sie reif ist“ anführt.

Dass der Pressesprecher der AfD-Fraktion die Offenkundigkeit des Holocausts für diskussionswürdig hielt, noch 2017 für rechtsterroristische Propaganda warb und über seine eigene Vergangenheit keine eindeutigen Aussagen machen möchte, macht diesen untragbar. Wenn sich die Partei weiterhin hinter Offermann stellt, erscheint deren behauptete Abgrenzung nach Rechtsaußen einmal mehr als unglaubwürdig.