Nicole Jordan kandidiert auf Listenplatz drei der Hamburger AfD zur Bundestagswahl und ist außerdem Vorsitzende des Bezirksverbandes und der Bezirksfraktion Mitte. Sie zählt mittlerweile neben Dirk Nockemann, Alexander Wolf und Bernd Baumann zu den bekanntesten AfD-Politiker*innen in Hamburg, obwohl sie noch nie in der Bürgerschaft saß und auch kein Mitglied im Landesvorstand ist. Ihre Bekanntheit liegt vor allem an ihrer Positionierung am äußersten braunen Rand der Partei und die damit verbundenen Kontroversen, sowohl innerhalb der AfD, als auch in der Öffentlichkeit. Bereits mehrfach war sie deshalb nicht nur in den Medien präsent, sondern auch Ziel antifaschistischer Kundgebungen vor ihrem Privathaus in Wilhelmsburg.
National-Sozial á la Höcke

Wie Viele in der Partei propagiert Jordan klassisch rechte Forderungen wie „Schluss mit dem Gender-Quatsch“ oder „weg von der gemachten Klima-Hysterie“ und stellt die Corona-Maßnahmen in Frage. Gleichzeitig tritt sie im Sozial-Benachteiligtem Wilhelmsburg jedoch mit sozialen Forderungen auf, wie dem Kampf gegen Kinder- und Altersarmut, der Forderung nach Erneuerung des Gesundheitssystems, der drängenden Lösung von Wohnungsnot oder für eine Verbesserung der schulischen Bildung. Jordan war zuvor Mitglied der SPD und laut eigenen Angaben früher in der Kinder- und Jugendarbeit tätig. Es ist anzunehmen, dass Jordan von der Sozialdemokratie in den letzten Jahren ziemlich enttäuscht wurde. Anstatt jedoch die soziale Frage nach der ungleichen Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu stellen, setzt sie auf die rassistische Karte. Jordan kämpft nicht gegen Hartz IV, die Deregulierung der Arbeitsmärkte, den zunehmenden Verkauf von staatlichem Wohnraum an Immobilien-Konzerne, das Kaputt-Sparen der Schulen oder den Verkauf der städtischen Krankenhäuser. Stattdessen schreibt sie von einer „gescheiterten Migrationspolitik“ und von „Konkurrenz-Gesellschaften“, welche für viele der Probleme verantwortlich seien. Statt den Kampf gegen die Verantwortlichen von Sozialabbau und Verelendung im Stadtteil mit allen Bewohner*innen zu führen, setzt sie auf Spaltung und die Präsentierung von Sündenböcken. Auf einem Parteitag 2019 erklärte sie mehrfach allen Ernstes, dass die Abschiebung von „abgelehnten und straffälligen Migranten“ all diese sozialen Probleme lösen würde. Ihre Partei präsentierte das Video gar mit dem Satz: „In ihrer Rede spricht sie das größte Problem in Hamburg und ganz Europa an: die Massenmigration.“ Mit diesen rassistischen Antworten auf die soziale Frage passt sich Jordan sehr gut in die national-soziale Demagogie des Flügels um den Rechtsextremisten Björn Höcke ein.
Frontfrau des Flügels

Formal wurde „Der Flügel“, der als Sammelbecken von ca. einem Drittel der Parteirechten um den Faschisten Björn Höcke dient(e) aufgrund der geheimdienstlichen Überwachung im April 2020 aufgelöst. Antifaschist*innen und viele Medien gehen jedoch davon aus, dass dieses völkisch-nationalistische Netzwerk weiter besteht und zudem viele Kontroversen in der AfD immer noch entlang der Grenze zum Flügel ausgetragen werden. Der Verfassungsschutz schrieb in einem längerem Beitrag von Dezember 2020, dass er in Hamburg 40 Personen dem aufgelösten Flügel zurechnen würde, im Sommer 2020 sollen es nur 10 gewesen sein.1 Die Schlapphüte dürften mit ihren Vermutungen allerdings eher zu niedrig liegen. 2019 sagte AfD-Chef Nockemann: „Ich denke, dass fünf bis zehn Prozent der Hamburger Mitglieder Sympathien mit Björn Höcke haben“. Die damalige Mitgliederzahl lag bei 620.2.
Schon 2018 kam es in der Hamburger AfD zum Streit mit der Flügel-Sympathisantin Jordan. Diese hatte, entgegen der Empfehlung des Vorstandes einen umstrittenen Vordenker des Flügels, Andre Poggenburg, eingeladen. Der ehemalige Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt hatte Türken als „Kameltreiber“ und„Kümmelhändler“ beschimpft sowie von „linksextremen Lumpen“ und von „Wucherungen am deutschen Volkskörper“ gesprochen und trat nach Kritik an seinen rassistischen Positionen 2019 aus der Partei aus. Jordan machte die Veranstaltung trotzdem und teilte Bilder von der Veranstaltung in ihrem Wohnhaus. Dieses diente vorübergehend auch als offizielle Adresse des Flügels in Hamburg. Gegen die Parteiräson verstieß Jordan ein zweites Mal, als ein weiterer Flügel-Politiker, Andreas Kalbitz, 2020 aus der AfD ausgeschlossen wurde und dagegen (bisher vergeblich) klagte. Jordan veröffentlichte hingegen eine Solidaritätsadresse. Zuletzt berichtete die taz nun im Juli 2021, dass Jordan, Olga Petersen und Martin Rohwedder, Bezirksvorsitzender in Nord, sich für die Abwahl des aktuellen Landesvorstandes einsetzen würden.3 Begründet wurde dies in einem anonymen Schreiben, welches bei der taz einging, mit der Beteiligung des Hamburger Landesvorstandes an dem Partei-Ausschlussverfahren gegen Kalbitz 2020. Petersen und Rohwedder wollten gegenüber der taz keine Stellung dazu beziehen, obwohl die anonymen Bezichtigungen als Indiz für deren Flügel-Nähe gelten können. Zahlreiche Sympathiebekundungen für das (ehemalige) Spitzenpersonal des Flügels finden sich auch auf dem Facebook-Profil des Bezirksverbands-Mitte, deren Vorsitzende Jordan ist und für den sie nicht nur politisch, sondern auch im Sinne des Rundfunk-Staatsvertrags die rechtliche Verantwortung trägt.
Der Einfluss der Völkischen wächst
Im Juli 2019 sagte der AfD-Landesvorsitzende Dirk Nockemann der WELT noch, die entsprechende Gruppe wisse ganz genau, dass Rechtsnationale in Hamburg keine Chance hätten, auf die Liste für die Bürgerschaftswahl zu kommen. Inzwischen haben sich die Machtverhältnisse im Landesverband trotz der teilweisen Beobachtung durch den Verfassungsschutz gründlich verschoben: So kann nicht nur eine Olga Petersen, die keine Kontakte zu geheimdienstlich beobachteten Rechtsextremisten scheut, auf Platz zwei zur Bundestagswahl kandidieren. Im Juli twitterte Jordan: „Höcke ist sozial patriotisch eingestellt, dies als rechtsextrem zu betiteln ist widerwärtig.“ Und darüber hinaus ihre offizielle Kandidatur: „Listenplatz 3 … WK 18.“ Um dort platziert worden zu sein, muss Flügel-Frau Jordan weit mehr als nur einige Prozent Unterstützung im Landesverband haben. Es ist deshalb ratsam, weder den Selbstverharmlosungen eines Herrn Nockemann noch den Einschätzungen des Hamburger Verfassungsschutzes zu vertrauen.